Der Besuch einer Aufführung im I Piccoli Theater ist eine unvergessliche Reise tief in die Theaterwelt, vor und hinter den Kulissen. Mit viel Liebe zum Detail, Enthusiasmus und Ambitionen betreibt Gerhard Weiß, ein ausgebildeter Dokumentarfotograph und Professor an der Kunsthistorischen Akademie, ein wahres Theatrum privatissimum seit über 40 Jahren in seiner Schwabinger Wohnung unterm Dach. 1975 gründete er sein Figurentheater, liebevoll in seine Wohnung integriert, mit technischer Perfektion gestaltet. Eine Miniaturisierung des Bayreuther Festspielhauses im Kopf, erlebt der Betrachter in seinem Theater Dimensionen und Hörgefühl wie in der 10. Reihe des ehrwürdigen grossen Vorbilds oder anders ausgedrückt im Massstab 1:14,4. Persönlich werden die Gäste an der Tür in Empfang genommen, durch die Küche gehts in die Garderobe. Ein kleiner Raum ist zum Foyer umfunktioniert, Getränke und kleine Leckereien werden kredenzt. Hier atmet der Gast Theaterluft, unterschiedliche Theaterpuppen aus der ganzen Welt werden ausgestellt, Bühnenbilder aus eigenen Produktionen, Plakate und Masken, zieren den Raum. Im gedämmten Licht kommt Stimmung auf. Die Vorfreude steigt bei einer kleinen Einführung durch den Gastgeber, dem Intendanten sozusagen und seiner Frau. So hört man von den Anfängen mit einer Ringinszenierung von 110 Minuten aus Frust über erfolglose Bemühungen Bayreuth Karten zu bekommen. Ja so war das 1975, heute ist es einfacher. Bis zu dreissig Personen finden Platz im Wohnzimmer, das zum Theatersaal mit Klappstühlen umfunktioniert ist. Zumeist wird das Theater von Gruppen für bestimmte Anlässe gebucht. Die grossgewachsenen Zuschauer dürfen durch das Badezimmer und Schlafzimmer iauf den hinteren Reihen Platz nehmen. Eine Operngala ist heute auf dem Programm. Kuriose Raritäten aus der Opernwelt verspricht das Programm mit bekannten Gästen. Die skurille amerikanische Millionärin Florence Foster Jenkins, Karl Valentin, Theo Lingen, Anneliese Rothenberger, Ann Russell und Bally Predl stehen auf dem Programmzettel. Die ambitionierte selbstbewusste Amerikanerin und selbsternannte Opernsängerin Florence Foster Jenkins wurde durch erfolgreiche Hollywoodfilme zur Kultfigur. In den Arien der Königin der Nacht von Wolfgang Amadeus Mozart oder der Gräfin aus der Fledermaus von Johann Strauss präsentiert sie Kostproben ihres absonderlichen Könnens. Gerhard Weis verwendet Tondokumente überspielt von Originalaufnahmen auf Schelak Schallplatten, um die Authenzität zu gewährleisten. Der goldene Vorhang des kleinen Theaters lichtet sich und die Primadonna wird auf einer Schiene von unsichtbarer Hand in die Mitte geschoben. Die Figuren wurden von Freunden mit Laubsägen geschaffen und von einem befreundeten Künstler wirkungsvoll bemalt. Jedes Detail ist wohlüberlegt und gestaltet, der Gesamteindruck überzeugt. Mit einem Beamer werden Videoinstallationen auf die Theaterrückwand projeziert. So singt Theo Lingen als Gondoliere auf dem Canale Grande, oder Karl Valentin in einer bayrischen Gebirgslandschaft. Sehr schnell ist der Betrachter in Spannung gesetzt, täuschend echt entwickelt sich das Theatergefühl. Der kleine Guckkasten besticht mit seiner Tiefenwirkung, das 5 Kanal Soundsystem mit seiner musikalischen Untermalung. Gelungene komische Pointen verursachen Lacher, die Intimität des Erlebnisses umhüllt alle Betrachter mit einem behaglichen Wohlgefühl etwas Besonderes zu erleben. Nach einem herzhaften Schlussapplaus und der Einladung zur herzhaften Gulaschsuppe besteht die Möglichkeit back stage zu gehen und die Theaterluft zu entzaubern. Überraschend simpel ist die Konstruktion und Ausstattung, dem mittelalterlichem Papiertheater nachempfunden. Die Puppenspieler hocken auf kleinen Schemeln unter der Bühne und bewegen die Figuren mit dünnen Fäden. Rund um die Bühne türmen sich in dem kleinen Raum Theaterutensilien. In einem Gespräch erzählt Gerhard Weis von seinem vielseitigen Theaterleben. Von den Zeiten als er mit einem Traktor und Waggon mit einer echten Schauspielertruppe durch die Lande zog, wie er dieses Theater mit Freunden schuf und wie er heute versucht dieses Kleinod am Leben zu erhalten. Dabei leuchten die Augen des Siebzigjährigen und der begeisterte Funke springt über. Eine kulturelle Institution, ohne die München ein Stück ärmer wäre.
27. Februar 2019 | DruckenAgenda
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