Vincenzo Bellini I Puritani Wiener Staatsoper 28.5.2022
Belcanto mit angezogener Handbremse in Wien
Welcher regelmäßige Opernbesucher kennt nicht das Ärgernis, wenn rund um einem ständig Handys aufleuchten und manch einer auch gleich gar nicht mehr damit aufhört, seine Elektronik zu bedienen. So auch wieder bei diesem meinem Opernbesuch geschehen. Liegt es nur am Desinteresse der Besucher, zum Glück füllt sich die Staatsoper ja wieder und Touristen strömen wahrlich durch die Stadt und in die Oper. Nein nicht nur, auch springt an diesem Abend kein Funke der Spannung von der Bühne oder besser vom Orchestergraben auf das Publikum über. Francesco Lanzillotta kann das Orchester der Wiener Staatsoper nicht wirklich zum Schwingen bringen. Die Musiker schleppen sich hörbar. Einsätze sind nicht präzise und die wunderbaren Melodien, die Vincenzo Bellini in seiner letzten Oper I Puritani verarbeitet hat können nicht mitreißen. Der junge Italiener setzt keine Akzente, verleiht seinem Dirigat wenig Emotion. Eifrig schlägt er den Takt und hält Kontakt zur Bühne.
Dort passiert sehr wenig in dieser statischen farblosen in die Jahre gekommenen Inszenierung von John Dew. Die dunkle Einheitsbühne von Heinz Balthes ist steril und zeitlos. Wirkungsvoll ist das Spiel mit dem Licht. So werden die Gesangssolisten immer wieder in den Vordergrund bzw Mittelpunkt des Handelns gesetzt. Die Kostüme von Manuel Vazquez sind dunkel im Stil des 17. Jahrhunderts gehalten. Nur die weiblichen Solistinnen Elvira im weißen Hochzeitskleid und Enrichetta im roten Brokatkleid mit Verzierungen setzen farbliche Akzente.
Vincenzo Bellinis Opern stellen große Herausforderungen and die gesanglichen Leistungen der Solisten. Insbesondere die Tenorrolle des Helden Arturo ist hier mit mehreren Spitzentönen in luftigen Höhen hervorzuheben. Der amerikanische Tenor John Osborn wagt sich mutig und standhaft partitiurgetreu die Rolle umzusetzen. Mit weichem dunklem Timbre erfreut er in der Mittellage, in die Höhe stemmt er sich mit Druck und trifft alle Töne mit gepresstem Klang. Eine stattliche Leistung, der sich nicht viele Tenöre stellen. Arturo ist der Held, der um die gefangene Königin Enrichetta zu befreien seine Hochzeit mit Elvira aufgibt, die darauf dem Wahnsinn verfällt. Auch diese Rolle ist ungemein herausfordernd in ihren reich verzierten Koloraturen, die auch vor stimmbrechenden Sprüngen keinen Halt macht. Pretty Yende schafft diese Elvira mit großer Sicherheit, zumeist im feinem verhaltenen Piano mit leichtem Schleifen. Die junge Südafrikanerin wird sicher noch an ihrer Stimmtechnik arbeiten und sich als Belcanto Sängerin etablieren können.
Riccardo ist ebenfalls in Elvira verliebt und jagt mit tiefgründigem Hass seinen Gegenspieler Arturo. Auch als dieser für seine Taten vom Parlament begnadigt wird und sich mit Elvira nun doch vereinen kann. Als besonderen Regieeinfall überrascht am Ende dessen Mord an Arturo, obwohl das Libretto dies nicht vorsieht. Adam Plachetka kann in dieser Rolle des Bösewichts nur wenig begeistern. Ohne Timbre und Farbe ist sein Bariton inhaltlos und spröde. Im Duett mit Roberto Tagliavini, der als Giorgio den treuen väterlichen Freund Elviras überzeugend mimt, kommt es zu einem ergreifenden von dem Männerstimmen geprägten Belcanto Gefühl. Roberto Tagliavini begeistert mit seinem edlen geführten und vollmundigen Bass. Mühelos formt er die Melodiebögen, nunaciert und ausdruckstark gestaltet er Emotionen in seinem Gesang. Kurzfristig ist Ilja Kazakiv, ein Mitglied des Opernstudios, als Lord Valton eingeprungen und kann mit seiner frischen vollen Stimme und Darstellung punkten.Ensemblemitglied Margaret Plummer ist eine sichere aber unauffällige Enrichetta.
Nochmals blitzen die Handys zum Schlußapplaus auf, es wird fleißig fotografiert und höflich geklatscht.
Dr. Helmut Pitsch
31. Mai 2022 | Drucken
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