Idomeneo am Opernhaus Zürich grosse Gefühle mit Handbremse, Regie im Leerlauf

Xl_img_1161 © Monika Rittinghaus

Liebe, Vaterliebe, Eifersucht, Verlust, Abschied, Idomeneo ist wohl Mozarts packendstes und persönlichstes Werk. 1781 in München uraufgeführt entstand es in der Zeit der persönlichen Neuorientierung des Komponisten. Das Wunderkind wird ein junger unabhängiger freischaffender Musiker und Komponist, schält sich aus der Fürsorge des Vaters heraus. Auch musikalisch geht er neue Wege. Diese opera seria zeigt zahlreiche eigenständige reife Komponenten. Die Abfolge von Einzelnummern werden überwunden, Rezitative werden anspruchsvoll und gehaltvoll orchestriert, so entsteht ein Musikdrama das bereits an Richard Wagner denken lässt. Die innere Zerrissenheit einzelner Charakter, deren Gefühlsgeladenheit und emotionalen Ausbrüche stehen im Vordergrund gegenüber einer antiken schlanken Handlung. Die Holländerin Jetske Mijnssen übernimmt die Regie in Zürich und versetzt das gesamte Stück in einen öden tristen Bühnenraum mit grauen ausgebleichten Wänden - Bühnenbild gestaltet von Gideon Davey. Von hinten führt eine breite unsichtbare Treppe auf dem Bühnenraum, welche dem Chor vorbehalten ist. Die Protagonisten kommen und gehen über jeweils eine seitliche Tür. Dieser neutrale Raum stellt die Personen in den Vordergrund und lässt unmittelbar beklemmende Tristesse aufkommen. Tragik zerfrisst die Handlung und wird erst durch Gottesurteil am Ende zum Happy end. Auch die Kostüme von Dieuweke van Rijn sind modern in grau oder schwarz gehalten und lassen keine Aufhellung zu. Kreta und seine Bewohner sind von den Leiden des Krieges geprägt, Idomeneo ist ein von den Erlebnissen des Krieges traumatisierter Herrscher, der wohl in die Heimat zurückfindet, aber nicht zu seinem Volk und insbesondere Sohn. Verbissen klebt er an der Macht und demonstriert keine Regung. Sein Machtgefühl, um das Volk vom Ungeheuer zu befreien, zeigt ihn erst bereit, seinen Sohn selbst zu opfern. Die Regisseurin hat sicherlich über die Charaktere nachgedacht und zielt auf die emotionalen Spannungen im innern aber auch im Verhältnis zueinander. Aber die Umsetzung bleibt in einer statischen Fadesse stecken. Zuwenig Phantasie liegt in den Bewegungen und Gesten, insbesondere der Chor bleibt sich allein gelassen und seine einzigen Regieanweisungen bestehen im Tragen von Mobiliar. Für Spannung ist das sichtlich und spürbar zu wenig. Auch im Orchestergraben fällt Giovanni Antonini wenig Zündendes ein. Mit dem Orchstra La Scintilla hat er ausgewiesene Barockexperten als Instrumantalisten mit Originalinstrumenten zur Verfügung, die Farbe, Schwung und Dramatik gestalten können. Verträumt zieht er mit seinen Armen lange Bögen, aber er spricht, er reizt die Musiker wenig an. Die Musik des Salzburger Wunderkindes umfasst in dieser Oper soviel dramatische Kraft und romantisch anmutende Klangfülle, die an diesem Abend nur geahnt werden kann. Eine feine gut ausbalancierte Wahl junger Sänger rettet die Spannkraft des Abends. Allen voran Anna Stephany als Idamante und Hanna Elisabeth Müller als Ilia bezaubern als junges Paar, das erst in der Bedrängnis des eigenen Schicksals zueinander findet, aber von der Regie wird jede gemeinsame innige Regung ausgespart. So bildet die Klangfarbe und der Ausdruck der Stimme das wesentliche Stilmittel, das beide sehr fein und professionell ausgereizt zum Besten bringen. Wie durch eine natürliche Brücke verschmelzen die beiden Stimmen, die in Ihrer Färbung sehr ähnlich klingen und so auch im Liebesduett sich ineinander verschlingen. Unaufdringlich präsent im Bühnenauftritt überzeugen die beiden auch im Spiel. Stimmlich technisch perfekt zeigt sich Guanqun Yu als Elettra, aber im Ausdruck und Gefühl fehlt Überzeugungskraft und Rollenverständnis. Joseph Kaiser stellt sich hoheitsvoll und elegant als Idomeneo vor, braucht aber Zeit um sich stimmlich aufzuwärmen. Spitzentöne werden immer wieder angeschliffen gepresst. Ansonsten verfügt er über einen kraftvollen lyrischen Tenor. Airam Hernandez nutzt als Arbace seine Chance und zeigt sich gut disponiert. Im Publikum fühlt man manch Ratlosigkeit mit der Inszenierung aber hohe Akzeptanz für die Musiker und Sänger.

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