Giacomo Puccini Il Trittico Salzburger Festspiele 29.7.2022
Il Trittico als abgeklärter Verismo in nüchternen Bildern Salzburg
Ein besonderes Ansinnen verfolgte Giacomo Puccini mit seinem Projekt einen Opernzyklus zu schaffen, der an einem Abend ein tragisches (Il Tabarro – der Mantel) ein lyrisches ( Sour Angelica) und ein komisches Werk (Gianni Schicci) verbindet. 1918 wurde Il Trittico – das Tryptichon an der Metropolitan Opera in New York mit Erfolg uraufgeführt. Der Weg als Einheit in die Spielpläne der Opernhäuser wurde bis heute nicht erreicht. Lediglich der komische Einakter Gianni Schicci wird des öfteren in Verbindung mit anderen Werken aufgeführt. Der Inhalt basiert auf einer Episode aus der Göttlichen Kömödie von Dante Aligheri, dessen 800. Todestag in diesem Jahr in Salzburg unter anderem pandemiebedingt nachgefeiert wird. Er beschreibt humorvoll die Vorkommnisse, um das Ableben des reichen Kaufmanns Buoso Donati und die Bemühungen seiner Verwandten, an dessen Erbe zu kommen. Aufwühlende Kritik an der Gesellschaft und der Kirche ist in der lyrischen Oper Suor Angelica zu spüren, die das Schicksal einer reichen waisen Adelstochter beschreibt, die aus einer ungewünschten Beziehung ein Kind gebärt und dafür von der herzlosen Tante ins Kloster verdammt wird. Nach sieben Jahren erscheint diese, um ihre Nichte zum Verzicht auf das Erbe zu zwingen und teilt dieser auf ihr Flehen das Ableben ihres Sohnes mit. Verzweifelt und von Trauer zerfressen nimmt Suor Angelica sich das Leben. Dramatisch tragisch ist die Handlung von Il Tabarro. Ursprünglich als Eingangsstück des Zyklus angesetzt. Das Ehepaar Michele und Giorgetta sind Fährleute auf der Seine. Sie haben ihr neugeborenes Kind verloren und am Schmerz ist ihre Liebe zerbrochen. Giorgetta flüchtet in eine Beziehung mit Luigi, der auf ihrem Kahn arbeitet. Als die Beziehung auffliegt tötet Michele den Widersacher.
Der deutsche Regisseur Christof Loy hat die Regie dieser drei unterschiedlichen Opern als ein zusammengehörendes Werk übernommen. Er entscheidet sich für eine bildlich gefällige Zusammenführung, indem alle drei Stücke in dem gleichen Bühnenraum mit abgeänderten Requisiten spielen läßt. Er beginnt mit Gianni Schicci in einem hell durchfluteten Raum mit gelblichen Wänden, in dessen Mitte auf einem Podest der Verstorbene in einem großen Bett liegt. Hohe Türen und Fenster vermitteln den Charakter eines großbürgerlichen Palazzos. Die Verwandten schmausen auf einer Stuhlreihe am Rande. Fortgesetzt wird mit der Tragödie il Tabarro. Ein klassischer Flußfrachter hat an der rechten Bühnenseite angelegt, Mobiliar und ein Sofa werden ausgeladen, das dann gleich zum Spiel samt Teppich genutzt wird. Es kommt keine richtige gedrungene Tristesse auf, bunt sind die Kostüme und lebendig das Geschehen. Ebenso beim letzten Stück finden wir uns wieder im selben Bühnenraum, diesmal ist es der Speise- oder Besuchersaal des Klosters. Am linken Bühnenrand verhungert der Kräutergarten der hilfsbereiten Schwester Angelica. Auch hier wieder viel Aktionismus und lange Wege, die die geballte Dramatik insbesondere des Zwiegespräches von Suor Angelica und der Principessa verhindert. Es wirkt alles sehr traditionell und behütet. Am Ende schlupft Angelica in ihre Vergangenheit, ein schlichtes flottes schwarzes Kleid mit Stöckelschuhen, eine Zigarette soll Abrechnung mit dem Klosterleben bringen.
Musikalisch bringt Franz Welser-Möst mehr Farbe in den Abend. Er feilt an den Gefühlsnuancen der Komposition ohne die Elegie zu überdrehen. Er läßt veristisch ausschweifende Harmonien wohl dosiert in den Raum strömen ohne in Pathos zu verfallen. Blechbläser und Schlagzeug dürfen auch mächtig erscheinen. In der Lautstärke bleibt er reduziert und eröffnet den Sängern viel Raum, um ihre Rollen zu gestalten.
Groß waren die Erwartungen auf die Ausgestaltung der drei Sopranrollen durch Asmik Grigorian. Bisher haben nur wenige Sängerinnen alle Sopranrollen des Abends übernommen. Die Unterschiedlichkeit der Charaktere setzt höchste Anforderungen an die stimmliche Gestaltungkraft und Färbung. Die Rolle der Lauretta in Gianni Schicci ist die junge naive verliebte Tochter des Titelhelden, die ihren Vater zu beruhigen versucht. Fein malt Asmik Grigorian die Höhen aus, bleibt zumeist im Piano um die fortgeschrittene dramatische Färbung ihrer Stimme zu dosieren. Diese spielt sie als Giorgetta aus. Die unglückliche Mutter und Ehefrau, die Liebe sucht und sie bei ihrem Gatten nicht mehr findet. Forsch und ungezügelt sind ihre Gefühle für Luigi. In Suor Angelica gelingt ihr der Spagat der lyrischen in sich gekehrten Schwester, die nach der Nachricht vom Tod ihres Kindes in einen Gefühlsausbruch verfällt und aus Rage sich das Leben nimmt.
Bei den Männern sticht Misha Kiria als raffiniert gewiffter Gianni Schicci hervor. Roman Burdenko ist ein überzeugender Michele, der nicht mehr zu den Gefühlen für seine Frau zurückfindet. Joshua Guerrero erfeut mit einem kräftigen Tenor in allen Lagen, der auch seine Empfindungen zum Ausdruck bringen kann.
Karita Mattila ist eine herzlose von ihren Traditionen dominierte und disziplinierte Tante, die sich hinter die Konventionen versteckt, um ihre Gefühlsregungen zu verbergen. Ihre Stimme ist ausbalanciert gealtert, sicher und ohne zu beißende Schärfe in der Höhe und metallen mit der nötigen Trockenheit in der Mittellage.
Viel Applaus für alle Beteiligten, mit Steigerung für den Dirigenten und das Orchester.
Dr. Helmut Pitsch
05. August 2022 | Drucken
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