In den Fängen des Adlers Claus Guth erzählt Semele beglückend anschaulich

Xl_d9951499-7dfe-4988-8218-d26826514f8b © Monika Rittershaus

Georg Friedrich Händel Semele Münchner Operfestspiele 18.7.2023

In den Fängen des Adlers - Claus Guth erzählt Semele beglückend anschaulich

1743 vertonte Georg Friedrich Händel die klassische Geschichte der thebanischen Königstochter Semele als Oratorium in drei Akten in wenigen Wochen. Das Libretto fusst auf dem dritten Buch der Metamorphosen von Ovid. Eigentlich ist sie dem Königssohn Athamas versprochen, wird aber von Jupiter begehrt, der ihr als Adler erscheint und sie in seinen Lustpalast entführt. Juno seine Gattin, erscheint der Widersacherin in Gestalt deren Schwester Inio und rät als Rache, Jupiter als Gott ihr erscheinen zu lassen. Als dieser ihr diesen Wunsch erfüllt ist dies mit ihrem Untergang im Feuer des Blitzes verbunden. Apollo verheisst künftiges Glück, aus der sterbenden Semele entsteht der unsterbliche Gott Dionysos. Ino und Athamos heiraten.

Ein Stoff für einen breiten Gestaltungsrahmen, den Claus Guth gemeinsam mit seinem Regieteam gekonnt und intelligent zu nutzen weiss. Michael Levines Bühnenbild ist ein großer hell ausgeleuchteter Saal mit Luster, in den in schwarz die Traumwelt Jupiters/ Semeles eindringt und teilweise dominiert. Die Verwandlung als Adler ist der rote oder besser schwarze Faden dieser Neuinszenierung in Kooperation mit der Merropolitan Opera New York. Eine schwarze Feder sorgt für Semeles Ablenkung bei den Vorbereitungen zu ihrer Hochzeit mit einer eleganten bunten Gesellschaft in modernen Kostümen von Gesine Völlm. Großflächige Schwarz weiss Videos von Rocafilm auf einem transparenten Vorhang eines Adlers in verschiedenen Positionen untermauern Jupiters ständige Präsenz. Seine Helfer erscheinen wirkungsvoll märchenhaft mit Federflügeln und Adlerkopfmaske.

Ebenso überzeugend und ausgefeilt ist die Charakterisierung der Rollen und die Personenregie. Juno ist eine strenge selbstbewusste Göttin, Jupiter ein lockerer, leichtlebiger Playboy mit Latin Lover image, Somnus ein sympathischer Schlafgott im Pyjama mit Kopfkissen. Guth versteht die Langatmigkeit barocken Opernaufbaus mit Rezitativen, handlungsarmen ausgedehnten Arien und orchestralen Zwischenspielen durchgängig mit Geschehen zu füttern ohne opulent zu werden oder zu verfrachten.

Ebenso schöpft er die darstellerischen Fähigkeiten der Mitwirkenden aus. So darf der Star des Abends, Jakub Jozef Orlinski nicht nur seinen prächtigen Countertenor zum Besten geben, sondern als Breakdancer faszinieren. Wann hat das Publikum ein artistischen Sänger mit Salto aus dem Stand erlebt. Mit dieser Neuinszenierung kann die Bayerische Staatsoper an die mittlerweile glorifizierte Äera der Barockopern unter dem Intendanten Sir Peter Jonas anknüpfen.

Hierzu trägt vor allem auch das ausgezeichnete Sängerensemble bei. Brenda Rae in der Titelrolle ist mit acht Arien, Koloraturen, herzzerreißenden Schreien und einem umfangreichen Spiel gefordert. Sie identifiziert sich erlebbar mit der Rolle und den Gedanken des Regisseur und schlüpft wahrhaft in die zweigesichtige Rolle, die auch äußerlich durch Kleiderwechsel angezeigt wird. Stimmlich hält sie gut Haus, vermeidet Übersteuerungen. Geschmeidig bleibt sie in den Läufen und Spitzen und setzt auch die notwendigen Nuancen. Mit Humor und Lebensfreude zeigt sich Michael Spyres als Jupiter und beeindruckt mit seinem Stimmvermögen in den höchsten aber besonders auch in den Tiefen. Sein Tenor hat Volumen, lyrische Züge und ein warmes Timbre. Mit Jakub Jozef Orlinski zeigt sich ein vielseitiges Talent auf der Bühne. Neben seiner bereits angeführten Break Dance Einlage berührt er mit seinen beiden Arien, die er gefühlsbetont ausgesprochen farbenreich für eine Kopfstimme auskleidet. Nadezhda Karyazina hebt sich passend als Ino zu Ihrer Schwester Semele ab. Ihr Mezzosopran ist gut geführt und klingt leicht und ausgeglichen. Dramatik ohne Schwere oder Kraft gelingt Emily D'Angelo als Juno. Auch ihr Mezzo führt Melodien locker und  Koloraturen fließen. Philippe Sly überzeugt in der Rolle des leidenden Cadmus und liefert humorvoll einen verschlafenen Somnus, der angesichts lüsterner Erwartungen auch frisch aufgeweckt sein kann.

Das Bayerische Staatsorchester und der Chor der Staatsoper werden von Gianluca Capuano mit viel Schwung und Aufmerksamkeit geführt. Frisch fühlt sich sein Händel bis zum letzten Ton, Aus dem Graben strömen farbenreiche Töne, zackige Rhythmen und sanfte Klangteppiche. Chor und Orchester zeigen sich in barocker Bestform. 

Großer langanhaltender Beifall im ausverkauften Haus. Es zeigt sich wiederum eine große Begeisterung für die Barockoper in München.

Dr. Helmut Pitsch

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