Giacomo Puccini La Boheme Tiroler Festspiele Erl 5.1.2025
Neuer Intendant Jonas Kaufmann startet mit erstklassigem Sängerensemble in konservativer Regie des Opernhit La Boheme
Nüchtern im Vintage Look ist die Künstlerbude unterm Dach. Alfons Flores gestaltet die Bühne für die Neuinszenierung der Oper La Boheme von Giacomo Puccini, die erste und mit Spannung erwartete Premiere unter dem neuen Intendanten der Tiroler Festspiele Jonas Kaufmann. Ein Plüschfauteuil, ein Sessel und ein blauer Tisch sind das Inventar, kein Blick über Paris, grau sind die Wände der Behausung gehalten. Nebenan, am Bühnenrand, liegt die sterbenskranke Mimi in ihrem Bett. Bedeutet die Regie von Barbara Lluch ein Rückblick auf die Geschichte Mimis oder ein Traum? Mitunter wird dieser Gedanke von den überzogenen knallbunten Kostümen von Clara Pelutto Valentina untermauert wenn der gut einstudierte Chor der Tiroler Festspiele Erl auf dem als Rummelplatz mit Karusell gestalteten zweiten Akt als Schachfiguren oder Spielkarten auftritt. Dazu treten immer wieder Statistinnen im gleichen blauen Kleid Mimis auf, mit denen die Titelheldin auch gemeinsam agiert wie in einem großen Ringeltanz am Ende des zweiten Aktes. Auch die bunten Videoprojektionen von Mar Flores Flo gehen in diese Richtung.
Die statische brüchige Personenregie der Katalanin aber untermauert diesen Gedanken eines Regiekonzeptes nicht. Vielmehr erläutert sie im Programm, daß das Sterben und Freundschaft für sie die Säulen der Handlung sind. In der Umsetzung verfolgt sie dabei eine konservative Deutung am Libretto gehalten mit ästethischen zum Teil kräftigen Bildern.
So sticht die Aufführung besonders durch die Leistung der jungen Sängerriege hervor. Sara Cortolezzis Ist eine elegante großgewachsene junge Dame, die sich selbstbewusst possitiv wirkend bewegt. Keine Zerbrechlichkeit, Schüchternheit im Rollenbild der Regisseurin. Dafür legt die junge Italienerin in ihrem Gesang mit Gespür die Nuancen in ihrer Gefühlswelt. Souverän meistert sie die Anforderungen der Partie, bleibt in feinen Piani ausdrucksstark und intim. Der Chinese Long Long zeigt sich als klobiger Poet Rudolfo mit wenig Gespür für Liebesromanrik. Kraftvoll zeigt er seinen Tenor, die hohen Töne schmettert er gerne sicher. Es fehlen In seiner Interpretation gefühlvoll unterlegte Legati, derer Puccini ein Meister ist. Seine Künstlerfreunde bilden eine gutgewählte junge Zusammensetzung und geben dem Abend Farbe und spielerische Lebendigkeit. Tommaso Barea ist ein sichtlich sorgsamer Malerfreund Marcello, der mit schönen gut intonierten Tönen sehr präsent erscheint. Schaunard durch Liam James Karai dargestellt wird mit satten vollen Tönen durchdringend und mit bunten Kostüm raumgreifend. Jasurbek Khaydarov gestaltet die berühmte Mantelarie des Colline mit emotionaler Bravour und gesanglicher Leichtigkeit. Auch Victoria Randem gelingt als Musetta durch sowohl darstellerischem und gesanglichem Können der Rolle viel Wirkungskraft zu geben. Die leicht dunkle Färbung ihrer warmen Stimme gefällt in ihrer Umsetzung.
Am Pult führt Asher Fisch, der neue Musikdirektor der Tiroler Festspiele das Orchester der Tiroler Festspiele Erl. Die jungen Musiker aus verschiedenen Ländern zusammengeführt, spielen mit großem Engagement und Leidenschaft, sodass der Australier fest die Zügel im Griff halten muss und das Zusammenspiel mit Chor und Sängern zu sichern. Zu oft wird im Volumen kräftig markiert, die Liebesgeschichte wird mit Dramatik gut gewürzt, die Romanze und aufkeimenden Gefühle bleiben unterkühlt, zu wenig ist die Inspiration für manche Feinheit der Partitur. Packend ist die Lebendigkeit und das flott gewählte Tempo.
Das Publikum bedankt sich mit kräftigem Applaus. Drei ausverkaufte Abende dieser Neuinszenierung bestätigen den eingeschlagenen Weg der neuen Intendanz.
Dr. Helmut Pitsch
08. Januar 2025 | Drucken
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