Ist alles ein Spiel und keiner gewinnt? Prokofjew Der Spieler in Salzburg

Xl_der-spieler_2024_sf_c_ruth_walz_008 © Ruth Walz

Sergej Prokofjew Der Spieler Salzburger Festspiele 22.8.2024

Ist alles ein Spiel und keiner gewinnt? Prokofjew Der Spieler in Salzburg

Die Romane und Erzählungen von Fjodor Dostojewski sind häufig Vorlagen für Opern russischer Komponisten der Moderne. Mit seinen gesellschaftskritischen zum Teil auch autobiographischen Inhalten zeichnet er ein drastisches Bild der untergehenden Monarchie und den politischen, gesellschaftlichen und sozialen Zuständen.

Im Der Spieler verarbeitet er seine eigene Spielleidenschaft. Er beschreibt die Gier, Sucht wie auch den Verfall und die Selbstzerstörung. Er verlegt die Handlung in den fiktiven Ort Roulettenburg in Deutschland. Dorthin ist der verschuldete General mit seiner Familie, Stieftochter Polina und Alexej, dem Lehrer der Kinder gereist. Er wartet auf das Ableben seiner Großmutter Babulenka, um seine finanziellen Probleme durch die Erbschaft zu lösen. Als diese nun selbst lebendig im Ort erscheint und auch noch ihr Vermögen verspielt, zerbricht der Traum und die Familie . Alexej, der in Polina verliebt ist möchte helfen und sprengt am Roulettetisch die Bank. Aber er kann die gehässige Polina so nicht erreichen. 

Sergej Prokofjew greift 1914 den Roman für seine erste Oper auf und erarbeitet selbst das Libretto. Die Vorbereitungen für die Uraufführung in Russland scheitern an musiktechnischen und politischen Umständen, sodass diese erst nach einer Umarbeitung 1927 in Brüssel erfolgt.

In Salzburg  kommt die selten gespielte erste Oper Prokofjew unter der umsichtigen ausdrucksstarken musikalischen Leitung von Timur Zangiev am Pult der meisterhaft spielenden Wiener Philharmonikern in der Regie von Peter Sellars auf die Bühne der Felsenreitschule. Diese gestalte George Tsypin geschickt mit großen leuchtenden Kreiseln, die wie blinkende Ufos von der Decke heruntergefahren werden. Diese, sowie der Boden und teilweise die Wände sind von grünem Moos bedeckt, den Verfall symbolisierend. Die Kostüme von Camille Assaf sind casual modern. Die Arkaden der Felsenreitschule sind mit Spiegeln ausgekleidet, die Lichteffekte verstärkend. Der zweistündige Abend teilt sich in zwei Teile. Die ersten Bilder zeigen zwischenmenschliche Begegnungen zumeist in durchkomponierten Rezitativen, die Gefühlszusrände der Handelnden aufzeigend. Der zweite Teil bringt lebendig dynamisch das Casinoleben, das mutige Glücksspiel Alexejs. Croupiers geben die Anweisungen, Artisten hängen an Seilen und die Chorvereinigung Wiener Staatsopernchor ist die hektische lautstarke vom Glück Alexejs elektrisierte Spielerfemeinde.

Peter Sellars bespielt gekonnt den gesamten Bühnenraum, aber es gelingt ihm nicht, eine konzeptionelle Deutung des Inhaltes zu erarbeiten. Es bleibt bei einem spröden Ablauf von Einzelszenen, der dank der großartigen Darstellung von Sean Panikkar als Titelheld und Asmik Grigorian als Polina spannend und mitreissend wird.

Sean Panikkar verkörpert einen dynamisch jugendlichen Alexej Iwanowitsch, der ambitioniert in der besseren Gesellschaft landen will, auch um seiner angebeteten Polina zu gefallen. Omnipräsent ist er auf der großen Bühne und zumeist im Dialog mit allen Handelnden, umfangreich ist sein Gesangspart, den er mit seinem vollen und warmen Tenor zumeist in verzierten Rezitativen sehr eindrucksvoll meistert. Der grossgewachsene Amerikaner mit Wurzeln in Sri Lanka hat sich in seiner Karriere auf Opernrollen der Moderne spezialisiert und etabliert. Er strahlt in seinem Auftritt faire Sportlichkeit und naive Gutgläubigkeit aus, Asmik Gregorian verführt ihn als verwöhnte aufsässige Polina selbstbewusst und energisch. Ihr Sopran ist gewohnt beweglich mit gut kontrollierter Dramatik, ihr Rollenbild so erfassend. Peixin Chen ist der General aD von Geldproblemen erdrückt und ungeschickt im Umgang. Leicht lässt er sich von der vermeintlich feinen Gesellschaft bestimmen. Sein dunkler mächtiger Bass umhüllt mit warmen Timbre seine Darstellung. Kurz ist der Auftritt von Violeta Urmana als rüstige Babulenka im Rollstuhl und auf Krücken. Routiniert füllt sie die Bühne und ihr forscher Mezzo verfehlt seine Wirkung nicht. Ihre Stimme setzt markant kräftig die Noten und wirkt wenig gealtert in ihrer Farbgebung.

In weiteren Nebenrollen gibt Juan Francisco Gatell einen Marquis, der seine dunklen Absichten hinter einer süffisanten Fassade versteckt. Michael Arivony gibt den adeligen Astley, der aus dem Hintergrund operiert. Nicole Chirka ist eine überaus elegante Blanche, die jede Möglichkeit, ihr Schicksal zu verbessern, schamlos nutzt..

Der Abend mündet dank der sängerischen Leistungen in eine freudige Wiederbegegnung mit dieser selten gespielten Oper.

Dr. Helmut Pitsch

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