Kata Kabanova als kalt aufpolierte Tragödie in Salzburg

Xl_02bba604-1d20-438c-8ab8-19cb66b6b53d © Helmut Pitsch

Leos Janacek Katia Kabanova Salzburger Festspiele 29.8.2022

Kata Kabanova als kalt aufpolierte Tragödie in Salzburg

Gross ist die Bühne der Felsenreitschule, mächtig drohend die kalte Felswand. Der australische Regisseur Barrie Kosky nutzt die natürlichen Gegebenheiten geschickt für seine Neuinszenierung der dramatischen Oper Katia Kabanova des tschechischen Komponisten Leos Janacek. Für ihn ist es ein Gesellschaftsdrama. Die unterdrückte unglücklich verheiretete Kata bricht aus der Enge der Ehe, Familie und des Dorfes aus. Sie verzehrt sich in Gewissensbisse für Ihre verbotene Affäre mit dem ebenso den Zwängen unterlegenen Boris und als Ausgestossene sucht sie Erlösung in den Fluten der Wolga. Beissend ist die Kritik an der Gesellschaft subtil in der Handlung verpackt. Klar und ausgeprägt sind die Charaktere in Libretto und der Musik gezeichnet. 

Kosky lässt die Dorfbewohner über die Länge der Bühne unbeteiligt wie eine undurchdringbare Wand antreten. Eine Schar Puppen wird in Gruppen in den drei Akten unterschiedlich mit dem Rücken zum Publikum postiert. Die Starre und Enge des Dorfes bleibt, in der der Gefühlsvulkan von Kata ex- und implodiert. Aus der menschlichen Masse treten die Protagonisten hervor. Die Bühne bleibt leer, lediglich ein Bühnenvorhang wird immer wieder aufgezogen, begleitet von einer eingespielten Geräuschkulisse. Vogelgezwitscher, Kirchenglocken oder Gewitter zeichnen Stimmungsbilder. Kata löst eine Fliese im Bühnenboden und springt so in die Fluten. Die Protagonisten reihen sich wieder in die menschliche Mauer als wäre nichts gewesen.

Der Tscheche Jakub Hrusa gibt am Pult der Wiener Philharmoniker sein Festspieldebüt. Die Musik seines Landsmann wirkt bei ihm sehr vertraut, die Sprachkenntnisse tun ein übriges. Überraschend unaufgeregt ohne übersteigerte Dramatik zeichnet er im Graben eine spannende Gefühlstory. Er bleibt nah am Geschehen, gibt den Sängern Raum und Freiheit in passender Untermalung. Die Mutigkeit der Musik drückt die Wahrheit der Emotionen aus und zeigt Gespür für die Empathie der unterdrückten Charakter.

Corinne Winters zeichnet eine fragile Titelheldin, eine junge Außenseiterin, die von den Gefühlen überrannt wird und mit der Umwelt nicht zurecht kommt. Ihre zarte Erscheinung macht den Charakter noch fragiler von der Umwelt gegängelt. Ihre Stimme verstärkt den jugendlichen Eindruck, hellklingend wirkt sie mitunter zu klein gegenüber dem Orchester und der Dramatik des Geschehen. Evelyn Herlitzius ist ihre herzlose Schwiegermutter Kabanicha, die die junge Liebe Ihres Sohnes Tichon terrorisiert. Sie ist für Ihre außerordentlichen Charakterdarstellungen bekannt und kann auch hier mit schatfer Stimme und Stock überzeugen. Jaroslav Brezina ist der von der Mutter dominierte Tichon, von der Regie sehr klar als Weichei gezeichnet. David Butt Philip zeigt als Boris einen freudlosen Liebhaber, der Kata in ihrer Ausweglosigkeit im Stich lässt. Stimmlich bringt der britische Tenor lyrische Töne ins Spiel. Jens Larsen mimt mit kräftigen Bass seinen gierigen Onkel Savjol, der ebenso in seinem denkwürdigen geheimen Verhältnis mit Kabanicha von ihr unterdrückt wird. Jarmila Balatova und Benjamin Hulett als ihre Ziehtochter Varvara und Vana Kudrjas runden spielfreudig die sehr guten Sängerleistungen ab.

Begeisterung und stehende Ovationen für alle Beteiligten

Dr. Helmut Pitsch

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