Tiroler Festspiele Abschlusskonzert - 6.1.2022
Krönender symphonischer Abschluß der Tiroler Festspiele
Stimmungsvoll und würdig schließen die Tiroler Festspiele im Festspielhaus in Erl ihre diesjährige Wintersaison, die trotz explodierender Infektionszahlen allen Winterstürmen trotzte. Mit großen Erfolg wurden die zwei Opernproduktionen – L´Amico fritz von Pietro Mascagni und Il Postillon de Lonjumeau von Adorphe Adam - und Konzert vor meist ausverkauften Hause durchgeführt. So wurde ein kräftiges und wichtiges Zeichen für den Kulturbetrieb gesetzt.
Den Abschluss bestreiten das Orchester der Tiroler Festspiele Erl, welches in den letzten zwei Wochen ein Mammutprogramm mit Bravour abspielte. Seit 1999 finden sich in diesem Klangkörper junge Musiker und Musikerinnen sowie Mitglieder internationaler Orchester. In stilistischer Bandbreite und in mannigfaltigen Produktionen sind die Instrumentalisten zusammengewachsen und beeindrucken immer wieder mit ihrem Engagement, ihrer Spielfreude und Virtuosität auf hohem Niveau.
Am Pult steht Valentin Uryupin. Der junge Russe hat als Klarinettist zahlreiche Wettbewerbe gewonnen und widmete sich früh auch dem Dirigieren. Er hat bereits an zahlreichen Opernhäusern und mit internationalen Orchestern gearbeitet und ist seit kurzem künstlerischer Leiter der Novaya Oper in Moskau.
Begonnen wir mit Richard Strauss Tod und Verklärung op 24: Das Werk des 25 Jährigen ist geprägt von der Spätromantik und setzt in bemerkenswerter Weise die philosophische Welt des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Form und Tonsprache um. Geprägt von ständiger Transformation einprägsamer Motive versteht der Komponist eine breite Stimmungsebene anzusprechen. Valentin Uryupin findet sich in seinem Dirigat mit den rhythmischen und melodischen Feinheiten, der Symbolkraft der Musik nicht zurecht und setzt auf präzise Schlagtechnik ohne Melodien aufblühen zu lassen. Es überwiegt eine kräftige Lautstärke, Zwischentöne, Ritardando oder Spannungspausen fehlen, sodaß die farbige Tonsprache Richard Strauss nur an wenigen Stellen den Zuhörer erreicht.
Deutlich besser nähern sich Dirigent und Orchester der feinfühligen Romantik in Gustav Mahlers Lieder eines fahrenden Gesellen. Insbesondere der Solist, der slowenische Bariton Domen Krizaj versteht es mit einer nuancenreichen und bestens verständlichen Stimme Rührung, Berührtheit und Spannung zu vermitteln. Gustav Mahlers unerwiderte junge Liebe für die Sopranistin Johanna Richter veranlaßte ihn zur Komposition aber auch zum Verfassen der poetischen Texte, da er sich nicht anmaßen wollte, Werke anderer zu vertonen. Auch wenn immer wieder fröhliche lebensbejahende Themen durch die Musik schwingen liegt dem Werk ein klagender trauriger Grundton zu Grunde. Diesen Zwiespalt arbeiten der Bariton und das Orchester in sich immer weiter verbindender Harmonie sehr schön heraus.
Im letzten Werk der Symphonie Nr. 6 h moll op 54 von Dmitri Schostakowitsch überzeugt die hohe Musikalität und Präzision der Musiker sowie das Dirigat von Valentin Uryupin. Auch in diesem Werk steckt versteckte Zweideutigkeit, die der Komponist bewußt suchte, um dem Regime gefällig zu sein, aber doch eine verhaltene politische Aussage zu treffen. Der bedeutende Symphoniker schuf das ungewohnt dreisätzige Werk 1939. Als Kopfsatz dominiert das Werk ein breitangelegter langsamer epischer Satz zumeist in ruhigem Largo überschrieben. Es folgen zwei ausgeprägt rhythmische Sätze Allegro und Presto tituliert. Witzig und frech dringen die Motive durch und peitschen nahezu durch das Orchester. Hier verschafft sich der Komponist fühlbar Luft gegenüber den Repressalien des diktatorischen Regimes. Virtuos und elegant verkörpern die Musiker die Leidenschaft der Partitur und lassen sich vom fordernden Dirigat zu einer mitreissenden Interpretation führen.
Am Ende viel Applaus, den das Orchester mit einer Wiederholung des zweiten Satzes belohnt.
Dr. Helmut Pitsch
09. Januar 2022 | Drucken
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