Kultstar Orlinski entfesselt das Münchner Festspielpublikum

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Festspiel Liederabend Jakub Józef Orliński Prinzregententheater München 18.7.2024

Kultstar Orlinski entfesselt das Münchner Festspielpublikum

Schon beim Betreten des ehrwürdigen Zuschauerraumes, stimmungsvoll in Rottönen ausgeleuchtet, herrscht knisternde Spannung, die sich in einem herzlichen Jubel mit Pfeifkonzert auflöst, sobald der beliebte Jungstar, der polnische Countertenor Jakub Józef Orliński gemeinsam mit seinem polnischen Klavierbegleiter Michal Biel den Saal betritt. Die Beiden scheinen sichtlich gerührt, emotional bewegt verneigen sich beide tief. Seine Popularität, die er sich aufgrund seines Könnens, seiner exzellenten Technik und Stimmbeherrschung, aber insbesondere durch seine außerordentliche Bühnenpräsenz erarbeitet hat, ist ansteckend.

Unvergesslich sind seine Bühnenauftritte, wie auch hier in diesem Hause in der letzten Festspielsaison als Athamas in Georg Friedrich Händels Semele. Der Ausnahmekünstler ist auch sportlich dynamisch und begeisterte damals mit einer Breakdance Einlage. Eine solche Einlage wünschten sich auch wieder einige Besucher des Liederabends, aber es blieb bei einigen Tanzschritten, Saltos oder athletische Sprünge gab es keine. Das ist auch gut so, denn musikalisch war bereits alles geboten.

Zu Beginn steht Barock mit der Arie des reuigen Sünders aus dem Passionsoratorium von Johann Josef Fux. Anschließend ändert Orlinski kurzfristig das Programm und schließt gleich die angekündigten vier Stücke von Henry Purcell an, um harmonisch im Barock zu bleiben. Orlinski versteht es sehr persönlich freundschaftlich mit dem Publikum in Kontakt zu treten, verschmitzt lächelt er immer wieder in die vorderen Reihen, die Bühnenpräsenz des sympathischen Sängers mit seiner Lockenpracht erreicht Kultstatus, mit einem Popstar vergleichbar.

Seine flexible Stimme hat mit ihrem für Counter besonders samtenen Timbre einen hohen Erkennungswert. Seine Kopfstimme ist unglaublich beweglich, intoniert klar bis in die Spitzentöne und verfügt über warme voll Tiefe. Dazu gleiten Koloraturen silbrig locker und sein Reservoir an Volumen scheint grenzenlos. Diese Stärken setzt er nuancenreich in den barocken Stücken ein.

Interessant wählt er dagegen Lieder zum Teil unbekannter polnischer Komponisten. Die drei Lieder von Henryk Czyz (1923-2003) sind elegisch, melodiös sehr dem Gesang verschrieben durchkomponiert. Sie wirken romantisch berührend mit melancholischer Färbung . Hier zeigt Orlinski die Vielfalt seiner Stimme, der die Lieder für Countertenor transkribiert hat. Ohne artistische Stimmkapriolen sondern mit viel Ausdruck, Rührung und Schmelz erreicht er das Publikum auch mit dieser Rarität. Auch die Lieder seiner Landsmänner Mieczyslaw Karliwixz (1876-1909) und Stanislaw Moniuszko (1819-1872) nutzt er eindrucksvoll, um die breiten Potenziale senes Countertenors zu demonstrieren. Zum Abschluss kehrt er in seine Domäne Barock zurück. Mit Alleluja, Amen von Georg Friedrich Händel schliesst er seinen Liederabend bravourös.

Hervorragend auch die gefühlsbetonte künstlerisch ausgekleidete Begleitung von Michal Biel, der bestens versteht auf die Freiräume des Sängers einzugehen. Im ausverkauften Saal herrscht ungebändigte Begeisterung und entlockt den Künstlern zahlreiche Zugaben, meist von Henry Purcell. Die warmherzige lockere Athmosphäre und die breite Popularität Orlinskis sind eine wohltuende vielversprechende Entwicklung im klassischen Musikleben.

Dr. Helmut Pitsch

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