Ligetis Le Grand Macabre führt in München ins Absurde obszön überladen inszeniert

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György Ligeti Le grand Macabre Bayerische Staatsoper München 2.7.2024

Ligetis Le Grand Macabre führt in München ins Absurde obszön überladen inszeniert

György Ligeti zählt zu den bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. 1965 erhielt er von der Oper Stockholm den Auftrag zu seiner einzigen Oper. Für die Handlung entschied er sich für das Theaterstück Le Grand Macabre des Flamen Michel de Ghelderode. Das Stück gehört zum absurden Theater und beschreibt einen Spaziergang des Todes im imaginären Breughelland. Bildliche Vorlage findet der Flame in den Schöpfungen seiner Landsleute Hieronymus Bosch oder James Ensor.

Gemeinsam mit Michael Meschke schuf Ligeti das Libretto, das ebenso dem Absurden zugerechnet werden muss. Eine Gesellschaft wartet auf den Weltuntergang, eine eigentliche Handlung fehlt. Dafür ist der Text martialisch, mit Obszönitäten gespickt, aber auch humorvoll positiv. Er hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, die allgemein gültig sich einem geologischen Ende nähert, Zeitpunkt und Vorgang unbekannt,, aber weiter ausschweifend lebt.

Zu dem „Nichtstück“ schuf Ligeti eine farbenprächtige reich instrumentierte Musik, die satirisch scharf auf das Verhalten der Gesellschaft reflektiert. Humoritistisch exotisch wirken Autohupen zu Beginn, das Ticken von Weckern oder Kuckucksuhren. Der ehemalige künstlerische Leiter der Bayerischen Staatsoper Kent Nagano kehrt nach langer Abstinenz an das Haus zurück. Mit gewohnt exaktem ruhigen Taktschlag führt er das Bayerische Stastsorchester mit viel Gespür und Klanggebung sicher durch die anspruchsvolle Partitur.

Szenisch hat Krzysztof Warlikowski diese Neuinszenierung zur Eröffnung der diesjährigen Opernfestspiele München mit seinem Team übernommen. In einem großen schmucklosen Raum- Bühne und Kostüme von Malgorzata Szczelniak - wartet eine bunt zusammen gewürfelte Gesellschaft und vertreibt sich gelangweilt die Zeit, zumeist mit sexistischen Gelüsten, die der Regisseur breit ausgestaltet. Deutlich unterschiedlich sind die einzelnen handelnden Personen. Ein alkoholsüchtiger Philosoph, ein selbsternannter Prophet, ein sadomasochistes Pärchen oder zwei lüsterne junge Frauen. Schräg passend sind die Kostüme, auftoupiert die Frisuren. Gitter und Stacheldraht werden immer wieder von oben heruntergelassen, als Metapher für gesellschaftliche Zwänge. Anwesendes Wachpersonal erfüllt seine Dienste, für wen ist nicht erkennbar. Zwei Minister sind von zwei Sperrzäunen umgeben, der unwillige Fürst GoGo wird auf einem Turngerät wörtlich aufs Pferd gesetzt und zur Pflicht getrieben.

Trotz witziger Einlagen kommt der Abend nicht ins Laufen und hat Längen. Immer wieder werden Videos, zum Teil wieder einmal von den Handelnden selbst aufgenommen, eingespielt. Es herrscht Unruhe, viele parallele Aktionen lenken ab und ermüden. Absurd ist System, aber kann auch übersteigert werden, sodass Wesentliches untergeht. Als solches ist sicherlich die Szene zu bewerten, in der der Philisoph und Astrademus sympathisch menschlich den Propheten betrunken machen, um den Weltuntergang um Mitternacht im wahrsten Sinne des Wortes wegzuspülen.

Ligeti lässt in der Musik Leichtigkeit und abgeklärten Frohsinn spüren, Warlikowski erdrückt Lebensfreude in Düsternis, Trieb und Gewalt. Auch visuell herrscht abstoßende Hässlichkeit. Heruntergekommen wirken die Charaktere, Nekrotzar erscheint zwischendurch im fleischfarbenen überquellenden Fatsuit nackt, dazu gesellt sich ebenso Lilith, um nur makante Beispiele zu nennen.

Mitternacht verstreicht mit weiteren Videoeinspielungen. Auf der Bühne kehrt wieder Leben im gewohnten Rhythmus ein. Dass in diesem Werk auch ein anderer Habitus steckt, zeigte Jan Lauwers in seiner Neuinszenierung des Werkes an der Wiener Staatsoper zu Beginn dieser Saison mit lebendig bunten freundlichen Bildern und klarem Ablauf.

Die Sänger und Sängerinnen überzeugen mit ihren Leistungen und ihrem Umgang mit der Regie. So wird Piet vom Fass durch die hervorstechende Darstellung von Benjamin Bruns zur zentralen Figur. Durch ihren Zuspruch zum Alkohol ist sie sehr menschlich und gelockert. Sein Tenor zeigt sich fassettenreich und sehr beweglich. Er erfüllt die vielfältigen Schattierungen, ist selbst im Sprechgesang melodisch und gut verständlich. Die erratischen Tonsprünge meistert er mühelos. Michael Nagy Ist ebenso sicher und überzeugend im Gesang wie im Spiel. Sein Nekrotzar ist düster und machthungrig. Bewundernswert ist sein Umgang mit dem unansehnlichen Adamskostüm, das ihm die Regie aufelegtS

Sarah Aristidou zeigt ihre dehnbaren Höhen bis ins Sphärische in der Doppelrolle als Chef der Geheimpolizei und Venus. Glöckchengleich hell schimmert ihr Timbre, aber auch über alle Lagen ist ihre Stimme gut geführt. Seonwoo Lee als Amanda und Avery Amereau als Amando verkörpern das schräge sexbessene Paar, das zumeist eng umschlungen auftritt und in hellen Tönen ihrer Lust frönen.

John Holiday gibt als Counter der Rolle des Fürsten Go Go eine persönlich geprägte Note als homosexueller weicher Herrscher..Mit Sam Carl ist die Rolle des Astradamors bestens besetzt, der mit Lindsay Ammann als Mescalina eine lustvolle Partnerin mit Domina Ausdruck findet.

Im Publikum ist eine gewisse Unruhe und manch Unverständnis zu spüren. Der Applaus auf den Rängen ist deutlich stürmischer als im Parkett. Aber die mutige Entscheidung des Indentanten Serge Dorny, die diesjährigen Festspiele mit dieser Neuinszenierung eines modernen Werkes zu beginnen war sicher eine Gute.

Dr. Helmut Pitsch 

 

 

 

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