L'Italiana in Algeri in Salzburg - Unterhaltsame farbenfrohe Gratwanderung gesichert mit musikalischer Präzision

Xl_img_1241 © Salzburger Festspiele Monika Rittershaus

Es ist ihr Abend, es ist ihre Rolle, sie liegt ihr im Blut. Isabella, die emanzipierte kluge Frau, ihrer Reize bewusst und spielend einsetzend, dargestellt von Cecilia Bartoli, die Vollblut Italienerin, ein Wirbelwind an Energie und guter Laune. Dazu besitzt sie eine Mezzostimme, die über Umfang und Farbe verfügt, in der Flexibilität und Leichtigkeit erste Grenzen erkennen lässt. Sie fühlt sich wohl in der Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier. Das Regieteam hat bereits mehrmals für die Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele gearbeitet. Meist bringen sie die Geschichten in aktuelle Zeitepochen vor aktuellem sozialen oder geschichtlichen Hintergrund. So auch hier. Unverkennbar befinden wir uns in der arabischen Welt. Vor der Ouvertüre hören wir bereits arabische Laute aus einem fernen Lautsprecher und zur Ouvertüre erleben wir das einfache Schlafzimmer von Mustafa und Elvira. Die beiden liegen im Ehebett, Elvira versucht ihren Gatten zu erregen. Der rennt aber nur abgetönt im altmodischen Feinripp Unterhemd und Unterhose herum. Ungeniert ziehen die beiden Franzosen ein Klischeebild nach dem anderen aus der Trickkiste. Alle Araber laufen im billigen Trainingsanzug und Sneakers herum, mühen sich mit grossen Kartons ab, meist mit Flachbildschirmen oder Kaffeemaschinen als Inhalt. Überzeugend realistisch wirkt das Strassenbild Algiers auf der Bühne. Billige Betonbauten, voller Satellitenschüsseln, die Balkone schattenspendend verhängt und mit Wäsche zum Trocknen. Die Eingänge bunt bemalt mit arabischen Schriftzeichen und den typischen Metallrolläden französischen Ursprungs. Etwas antiquiert anmutend der Einzug der gestrandeten Isabella auf einem Kamel sitzend mitten in der Ghettovorstadt. Akribisch arbeiten die Regisseure an jedem Charakter auf der Bühne. Viele kleine Gesten in den Bewegungen und im Gesichtsausdruck machen den Abend kurzweilig und sehr amüsant. Der Zuschauer muss aufpassen nichts zu versäumen. Der Philharmonia Chor Wien spielt da tatkräftig mit und schlüpft in viele Kostüme, gestaltet von Agostino Cavalca, und Rollen, die versklavte italienische Fussballmannschaft inklusive. Diese wird von Isabella aus dem Keller freigelassen und am Ende feiertn sie ausgelassen, vielleicht zu ausgelassen die gelungene Flucht. Auch eine Badewannenszene ist dabei, dies scheint derzeit im Regietrend zu liegen. Erfrischend farbenfroh und aussagekräftig sind die Bühnenbilder von Christian Fenouillat, die mühelos verschoben werden können und keine grossen Umbauten verlangen. Peter Kalman verwandelt sich wie ein Chameleon in einen arabischen Macho, glattrasierter Kopf, Bart und Körperfülle inklusive. Ungeniert saust er zumeist in Unterhose und ausgestopften Kugelbauch herum. Aber seine Stimme prägt seine Rolle. Mühelos setzt er satt im Volumen seine Töne an, seine Melodieführung fliesst und sein Luftreservoir scheint unerschöpflich. Edgardo Rocha stammt aus Uruguay und sicherte sich in den letzten Jahren einen Platzbauf den grossen europäischen Bühnen als Belcanto Tenor, der über einen hellen Tenor mit sicheren Spitzentöne, ein tenore contraltino. Mit Rasterlocken und Birkenstocksandalen in abgetragener Jeansoutfit schlurft er desintressiert wirkend auf der Bühne herum. Kommt sein Auftritt erwacht er und setzt kräftige Lebenszeichen mit seinem leichtgängigen Gesang, Koloraturen sprudeln nur so aus ihm heraus. Viele Lacher kassiert Alessandro Corbelli, der auch allzu komisch seinen Taddeo spielt. Als italienischer Tourist der Mittelklasse im billigen Supermarktoutfit, schlüpft er als Kaimakan in einen rosaroten glitzernden Trainingsanzug und flieht am Ende in blauer Superman Unterhose. Stimmlich dagegen ist seine Leistung von hohem Niveau. Jose Coca Loza fügt sich mit seinem dunklen Teint perfekt in die arabische Welt ein und überzeugt auch mit seiner frischen hellen Stimme. Das muntere Treiben auf der Bühne beobachtet aufmerksam Jean Christophe Spinosi am Pult des Ensemble Matheus. Unübersehbar gibt er seine Einsätze in Richtung Bühne und Orchestergraben. Viel Schwung liegt in der Partitur des italienischen Meisters der Komödie, der aus dem Orchester herausgearbeitet werden muss. Gut dosiert wählt er die Tempi und nur selten deckt er die Sänger mit zu heftigen Forti zu. Es herrscht Harmonie im Zusammen- und Wechselspiel zwischen den Instrumenten und Stimmen. Ungestört ist der Fluss und zielt sicher dem finalen Höhepunkt der gelungenen Flucht zu. Das Publikum wird bestens unterhalten mitgerissen und ein tosender Beifallsturm entladet sich langanhaltend am Ende. Cecilia Bartoli wird zu recht gefeiert, als Ausnahmekünstlerin auf der Bühne aber auch als omnipräsente fürsorgliche Festspielchefin, die ihr Programm mit viel Gespür für das Publikum gestaltet und auf die Umsetzung achtet.

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