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Piotr I Tschaikowski Eugen Onegin Teatro alla Scala 22.2.2025
Mailand - Schleppende Regie des neuen Eugen Onegin lebt durch die Sänger auf
Sommerliche Wärme und Laune vermittelt der Blick auf weite Kornfelder und blauen Himmel. Die Larins geniessen ihre Sommerfrische in bequemer moderner Sommerkleidung in dieser Neuinszenierung von Piotr I Tschaikowskis Oper Eugen Onegin an der renommierten Mailänder Scala. Tatjana nimmt in einer kleinen offenen Betonpergola voller Bücherstapel in der Bühnenmitte teil. Dort verfällt sie auch ihren Gedanken an Liebe und schreibt den entscheidenden Brief an den kurz zuvor kennengelernten Eugen Onegin. Der reagiert brüskiert und weist die Jugendliebe zurück.
Ins Düstere und Karge wechselt das Bühnenbild von Margherita Palli im zweiten Akt. Der Ball zu Ehren Tatjanas Geburtstag findet als Volksfest im kühlen Freien statt. Ein echte Militärkapelle ist auch dabei, die vor einer kleinen Tribüne spielt. Das Duell ebenda wird bei Mario Martone, dem Regisseur dieser Neuinszenierung zum russischen Roulette. Die Kontrahenten greifen abwechselnd zu dem auf einem Tisch liegenden Revolver. Hinter einem roten Vorhang erkennt der Betrachter eine vornehmene tanzende Festgesellschaft. Onegin und Fürst Gremlin treffen sich dort, auch Tatjana als reife Frau im eleganten langen schwarzen Abendkleid gesellt sich dazu. Leer ist die Bühne des Abschlussbildes, Tatjana gesteht weiter ihre Gefühle für den nun innig entbrannten Onegin, bleibt aber als Ehefrau ihrer Pflicht treu.
In der Personenführung tauchen wenige spannende Momente auf, zumeist verlieren sich die handelnden Personen auf der großen Bühne. Innig emotional gelingt der Schluss, den besonders die Protagonisten mit Leben füllen. Alexey Markov ist ein arroganter gefühlskalter Eugen Onegin, der Stand und männliche Macht ausspielt, den aber auch seine Gefühle hemmungslos überrennen. Auch das nicht der russischen Sprache mächtige Publikum kann in seinem gehaltvollen Vortrag Inhalt und seine Emotionen gut erhören. Tatjana entwickelt sich bei Aida Garifullina vom folgsamen streng erzogenen schüchternen Mädchen zu einer Dame der oberen Gesellschaft der Extraklasse, im Look an Audrey Hepburn aus Frühstück bei Tiffany erinnernd. Weich und hell ist ihr Sopran mit warmem Timbre. Sicher führt sie die Melodien und nuanciert passend Lautstärke und Farbe. Dmitriy Korchak ist ein inniger junger Lenski, der seinen ehrvollen Idealen unterliegt. Berührend ist sein Abschied und der heldenhafte Tod. Als Gremlin punktet Dmitri Ulyanov mit seiner getragenen Bassstimme, die Volumen und Timbre besitzt, und in den Melodien fliesst. In den Nebenrollen überzeugen Elmina Hasan als freche selbstbewusste Olga, Alina Kolosova als getragene Witwe Larin und Julia Gertseva als Njanja. Yaroslav Abaimov präsentiert gut seinen hellen lyrischen Tenor als Triquet.
Sehr versiert in der russischen Romantik führt Timur Zangiev das Orchester zu wunderbaren melodieschwangeren Ergüssen, die den Raum wie die russische Weite durchfluten. Die Musiker folgen mitgerissen und musizieren lebendig und packend. Gut vorbereitet und sehr harmonisch der Chor des Teatro alla Scala.
Viel Beifall und Anerkennung im ausverkauften Haus.
Dr. Helmut Pitsch
25. Februar 2025 | Drucken
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