Daniel Auber Manon Lescaut Teatro Regio Turin 27.10.2024
Manon von Auber - die Vergessene klug mit Schwung in Turin Erinnerung gebracht
1856 uraufgeführt, erfreute sich die Opera comique Manon Lescaut von Daniel Auber grösserer Beliebtheit bevor sie in Vergessenheit geriet. Nun vervollständigt sie den ideenreichen Zyklus des Teatro Regio in Turin „Drei Opern, drei Komponisten, eine Titelheldin“.
Wiederum steht ein Film und hier der Stummfilmstar Dolores Costello Pate für das Regiekonzept von Arnaud Bernard. Er verwandelt die Bühne - Bühnenbild von Alessandro Camera - in ein gläserne Halle als Filmstudio der 20 iger Jahre und der Betrachter verfolgt die Handlung der Oper als Aufnahmearbeiten für einen schwungvollen Rokokofilm zur Zeit Louis XV. Zur Ouvertüre erleben wir die Vorgeschichte der Flucht der jungen Manon frisch verliebt mit ihren Des Grieux als Stummfilm. Die Oper selbst beginnt mit den beiden in einfachen Verhältnissen im Dachgeschoss wohnend, Manon arbeitet als Schneiderin. In einer Wirtshausszene wird Des Grieux der Zechprellerei bezichtigt und rettet sich mit dem Dienst als Soldat. Manon versucht durch eine Gesangsdarbietung ihren Geliebten zu retten, zu spät er hat die Unterschrift schon geleistet. Nun versucht sie ihren Geliebten vom Militärdienst beim Marquis d’Herigny zu befreien. Dieser will nur mit der Gegenleistung ihrer Liebe helfen. Als Des Grieux und Manon von ihm in ihrem Stell Dich ein ertappt werden, bezichtigt er Manon der Prostitution und sie wird nach Amerika geschickt. Des Grieux folgt ihr und auf der Flucht verirren sich beide in einem endlosen Wald und die entkräftete Manon stirbt in den Armen des Geliebten.
In seinem Regiekonzept lässt Bernard zwei Handlungsorte parallel laufen. Auf einem kleinen Viereck mit zwei Stellwänden wird die Handlung in Rokokokostümen manieriert überzogen filmecht gespielt während rundherum ein Blick hinter die Kulissen erfolgt. Kameramänner sowie Gäste unterhalten sich, Schauspieler üben ihren Auftritt. So entsteht mitunter zuviel Aktion als Ablenkung, gleichzeitig bleibt die Handlung frisch und unterhaltsam aufgemischt.
Guillaume Tourniaire erarbeitet am Pult des Orchesters des Teatro Regio einen gefühlsechten mitunter üppig romantischen Filmsound. Die Musik Aubers ist vielfältig. Sie erinnert an den schwungvollen sich steigernden Rossini und geht fließend in hochromantische Orchesterpassagen über. Zu Rezitativen und zahlreichen Sprechstellen mutet sie auch barock an. Dirigent und Orchester finden bestens zusammen. Wieder ist der Chor in großer Besetzung wichtiger Part der klugen Personenregie und füllt die Bühne mit gut geführten Massenszenen und stimmlich eindrucksvoll aus. Einstudierung Ulisse Trabacchin.
Marie-Eve Munger verfügt als Manon über einen derben Sopran, der die Koloraturen schwer perlend und unsauber meistert, die Spitzentöne kommen schlank gedrückt. In der Mittellage punktet sie mit voller klarer Stimme und guter Aussprache. Marco Ciaponi erfreut als Des Grieux mit einem warmen lyrischen Tenor, der nuancenreich zwischen zärtlich liebenden, stürmisch aufbrausenden und geläuterten Liebhaber seine Rolle gestalter. Edward Nelson ist ein guter gestenreicher Darsteller des Marques d‘Herigny. Stimmlich kann er ebenso den honorigen verschlagenen wie humorvollen Adeligen zu Gehör bringen. Francesco Salvadori ist ein präsenter Lescaut mit schön timbrierter Stimme.
Zum stimmungsvollen Ende und als gekonnter Abschluss erscheinen noch einmal übergross die Porträts der drei Filmdarstellerinnen, die Arnaud Bernard als Brücke der Trilogie konzeptionell eingefangen hat. Zur Musik passend werden die Gesichter herangezoomt während Manon sich im Todeskampf noch einmal aufbäumt. Mit begeisterten Applaus belohnt das Publikum alle Darsteller und insbesondere den Regisseur für diesen kunstvoll, intelligent und ästetisch in Szene gesetzten Dreiteiler.
Dr. Helmut Pitsch
31. Oktober 2024 | Drucken
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