Me too als hartgesottenes Teufelswerk an der Bayerischen Staatsoper

Xl_5eaa3937-6ff3-4ee5-a764-f6e2c38a52c6 © Winfried Hösl

Krzysztof Penderecki Die Teufel von Loudon Bayerische Staatsoper 14.3.2023 

Me too als hartgesottenes Teufelswerk an der Bayerischen Staatsoper

1647 wurde der Priester Grandier in Paris hingerichtet, soweit der historische Bezug des Abends. Krzysztof Penderecki schuf 1964 aus dem dokumentarischen Roman The Devils of Loudon von Aldous Huxley, entstanden 1952, eine zweistündige Oper, deren drastische Handlung rund um den falsch beleumdeten Priester im MIttelpunkt steht.. Die Äbtissin Jeanne beschuldigt ihn, sie und ihre Schwestern vom Teufel besessen zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben. Ein aktuelles Thema in Zeiten von Me Too, Gender und Emanzipation, der Wahrheitsgehalt der zumeist öffentlich wirksamen Anklagen steht immer in Frage.

Der Zeit entsprechend wird das Geschehen noch mit Exorzisten angereichert und die weibliche Sexualität und sexuellen Gelüste ausschweifend in Szene gesetzt. Dem australischen Regisseur Simon Stone gelingt es meisterhaft, die Themen plastisch auf die Bühne zu bringen ohne abzustoßen. Spannend werden die Handlungsstränge der Imagination der Ordensschwester und deren Teufelsaustreibung sowie die Anklage und Verurteilung des Priester samt qualvoller Folter entwickelt, bis sich diese zuletzt im Martyrium verbinden.

Die Handlungsorte bringt Bob Cousins intelligent in einem grauen sich ständig drehenden und teilweise einsichtbaren Betonquader auf engem Raum zusammen. Mel Page kleidet das sensationslustige Volk modern, Klerus und Schwestern in deren üblichen Talaren. Nick Schlieper leuchtet das Geschehen hell, alles aufdeckend aus.

Die Musik des gefeierten polnische Komponisten durchdringt das bizarre sehr realistische Handeln der Regie in einer sehr gleichmäßigen fließenden Musik, die sphärische Atmosphäre der oberflächlich heilen Welt und brutale Disharmonie der gesellschaftlichen und sozialen Realität verbindet. Selten kommt es zu schweren Ausbrüchen, es sind die aneinander gereihten tonalen Klangfarben und deren Entwicklungen, die den Reiz und die Wirkung der Musik definieren. Vladimir Jurowski, GMD der Bayerischen Staatsoper erarbeitet mit dem Bayerischen Staatsorchester subtil und genau mit besonnenener Tonsprache die Vielfalt der Partitur.

Ein Großaufgebot an Sängern und Mitwirkenden steht auf der Bühne. Der Aufwand für die Umsetzung des selten aufgeführten Werkes ist enorm. Ausrine Stundyte zeigt wieder in der Rolle der von sexuellen Begierden getriebenen Schwester Jeanne ihr schauspielerisches Talent. Ohne jegliche Scheu spielt sie die vom Teufel Besessene. Mächtig kann sie ihre Stimme für die krassen Ausbrüche während des Exorzismus aufbauen, markant ist ihre Sprechstimme. Gesprochen wird viel, dies vermittelt eine besondere, unverhüllte Eindringlichkeit. Nicolas Brownlee muss vollen körperlichen Einsatz während der Folterszenen als Grandier liefern. Auch er gestaltet die Rolle des Märtyrers mit Können und Geschick. Jens Larsen ist ein bigotter Vater Barre, der falsche Heiligkeit des Klerus zelebriert wie Ulrich Reß als Vater Mignon. Baron de Laubardemont Kommissar des Königs zeigt durch Vincent Wolfsteiner ein herrschaftliches menschenverachtendes Machtspiel. Durchgängig sind die zahlreichen Nebenrollen ausgezeichnet besetzt. Mit Verve und Energie wird gespielt, die Personenregie ist ausgefeilt und integriert auch intensiv den Chor der Staatsoper, der bestens die anspruchsvolle Aufgabe meistert.

Das sichtlich ge- und betroffene Publikum spendet erschöpft viel Beifall

Dr. Helmut Pitsch

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