Die Tiroler Festspiele in Erl stehen nach dem Rücktritt von Gustav Kuhn auf Grund der Vorwürfe sexueller Übergriffen vor einem Neubeginn. Er leitete das Festival über viele Jahre, seine Richard Wagner Interpretationen inklusive seiner Regie und Dirigat prägten das Programm und das Image der Festspiele. Ab September 2019 wird der Intendant der Frankfurt Oper, Bernd Loebe diese Position übernehmen. Im laufenden Interregnum versucht sich die Festspielleitung mit Altbewährten im Opernprogramm und zeitgenössischer Musik im Konzertprogramm. Für die Eröffnungspremiere steht eine Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Aida auf dem Programm. Für die Umsetzung wurden zwei Frauen beauftragt. Daniela Kerck zeichnet sich für die Regie verantwortlich, Audrey Saint-Gil für die musikalische Leitung.
Markig beginnt die Handlung. Frauen in grauen Kitteln sitzen Rücken zum Publikum auf Stühlen und sind angehalten eine Präsentation anzuschauen. Dort prangert in großen Buchstaben, dass Frauen den Männern Untertan sind und ihr Körper den Männern gehört. Die Regisseurin will damit laut Ankündigung zeigen, dass der Konflikt Aida, Amneris und Radames in einer Männer dominierten diktatorischen Gesellschaft zu suchen ist. Eine starke Aussage angesichts der aktuellen Vorkommnisse in Erl. Eine gewollte Abrechnung oder Zufall – die weitere Umsetzung dieses gesellschaftspolitischen Ansatzes verliert sich aber in einem hektischen Treiben auf der Bühne und das Konzept ist unschlüssig.
Das Bühnenbild auch von Daniela Kerck, bleibt dem ganzen Abend unverändert, das Schicksal dieser Dreiecksbeziehung läuft in einem großen nüchternen Saal ab. Die Stühle werden rein und rausgetragen. Priester in langen schwarzen Kitteln mit schwarzen Mänteln und Wächter in schwarzen Hosen und Jacken – Kostüme von Andrea Schmidt Futterer- sowie die Sklavinnen in ihren grauen Kitteln und weissen Häubchen, die Unterdrückung symbolisieren bestimmen das Geschehen. Eine Sammelvergewaltigung wird angedeutet, die Häubchen werden an und abgenommen um den Kampf um Freiheit anzudeuten. Der Triumphmarsch, zumeist aufwendig in Szene gesetzt, verkommt zu einem Aufmarsch der Priester und Sklavinnen auf ihren Stühlen sitzend. Ein paar Gefangene zerren Beutegut auf die Bühne. Es kommt zu Turbulenzen zwischen Priestern und Sklavinnen bis eine Sklavin ein Neugeborenes Ramphis übergibt, der der eigentliche Herrscher ist. Der König ist Statist, sein Lorbeerkranz wird ihm abgenommen und Ramphis ersticht ihn am Ende. Amneris tritt im langen blauen Kleid mit Schlagstock auf und ist die strenge Gefängniswärterin über die Sklavinnen.
Musikalisch führt die junge Französin Audrey Saint-Gil sehr zurückhaltend mit langgezogenen Tempi. Unspektakulär sind die Steigerungen der Partituren, Ausbrüche in Forte sind selten. Das hilft den Sängern in der Lautstärke, aber die langsamen Tempi fordern heraus und verhindern spannende Dramatik.Die Mexikanerin Maria Katzarava zeigt Defizite in der Höhe und ihre Stimme bricht im Lagenwechsel. Ferdinand von Bothmer hat den Fachwechsel noch nicht geschafft. Sein Tenor ist klein und lyrisch. Teresa Romano als Amneris hat viel Farbe in der Stimme, kräftige dramatische Höhen und kämpft in der Tiefe mit dem Tempo und Ausdruck. Giovanni Battista Parodi ist ein eleganter schlanker Ramphis ohne herrschaftliche Macht in der Stimme. Dafür klingt die gealterte Stimme von Andrea SIlvestrelli wuchtig und präsent als Amonasro.
Als Relikt klassischer traditioneller Inszenierungen zeigt das Titelbild des Programmheftes „passenderweise“ einen Elefanten, das einzige Relikt dieser Aida traditioneller schwülstiger Aufführungspraxis. Modern und unkonventionell ist diese Umsetzung – das Regietheater hält damit in Erl Einzug.auch eine Abrechnung mit dem Intendanten und seinen reduzierten klassischen Inszenierungen. Kontrovers sind die Reaktionen im Publikum, der Abschlussbeifall belohnt vornehmlich die Sänger und Dirigentin.
07. Juli 2019 | Drucken
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