Medee in Salzburg Schon im Kino oder noch Oper
Einen packenden Ehekrimi hat der australische Regisseur Simon Stone aus dem antiken Stoff zu der klassischen Oper für die Bühne des grossen Festspielhauses geschaffen. Grossflächige Videoeinspielungen - Kamera auch Simon Stone - als Rückblenden, zur Untermalung und Erläuterung von Hintergrundhandlungen fügen sich raumgreifend aber flüssig in sein Gestaltungskonzept ein. Die Wahl von schwarz weiss Bildern anstatt Farbe, dazu gesprochene Sequenzen auf dunkler Leinwand, sowie insgesamt die Wahl der französischen Sprache erzeugen eine besondere Tiefenwirkung. Das preisgekrönte französische Filmschaffen mit bekannten Psychodramen a la Truffaut mit attraktiven Schauspielern wie Romy Schneider oder Alain Delon könnten Pate gestanden haben. Dazu schaffen Bob Cousins Bühnenbilder von einem modern designten hochpreisigen zeitgenössischen Ambiente. Dies führt die Handlung über ein Hochzeitskleidergeschäft, einer luxuriösen Wohnung, dem Hochzeitsfestsaal bis am Ende zu einer Tankstelle. Hier vollendet Medee den Racheakt mit der Ermordung der mit Jason gemeinsamen Kinder. Mit Benzin übergossen, zündet sie sich mit samt den Kindern im Auto an. Rauchschwaden und eine erstarrte Menge von Zuschauern samt Jason beobachten hilflos das grausame Spektakel. Mel Page steckt die Protagonisten in chice, dem jeweiligen Anlass entsprechende Kostüme. Lebensecht und situationsgerecht reihen sich die Szenen rasch aneinander, die dramatische Steigerung ist wohldosiert inszeniert. Telefongespräche oder auf den Anrufbeantworter gesprochene Nachrichten als geschickt gewähltes Stilmittel lassen das zerrissene, verzweifelte Innenleben von Medee und den wachsenden Rachegedanken aus den wunderbaren Arien der Heldin vor den Augen der Zuschauer unglaublich dramatisch wachsen. Ihr verweigertes Flehen bei Creon um Asyl, eine der Schlüsselszenen der Opern findet in der Ankunftshalle eines Flughafens unter medialer Begleitung statt. Direkt auf den Bildschirm wird das Geschehen auf den Bildschirm in der Wohnung von Jason als breaking news übertragen.
Dem Spannungsbogen übernimmt Thomas Hengelbrock am Pult der Wiener Philharmoniker. Mit feurigen Tempi, einer sehr modern anmutenden mit Gefühlen ausgefüllten Interpretation durch das gross besetzte Orchester hält er musikalisch dagegen und erkämpft der Musik den führenden Platz und lässt ein Abschweifen zur begleitenden Filmmusik nicht zu. Im Volumen dominiert ein Mezzoforte mit wenig Nuancen, die klassische Partitur mit breit ausgeschöpften Harmonien erreicht im vollen Orchesterklang nahezu romantische Breite. 1797 wurde die Oper in Paris uraufgeführt, wenige Jahre nach Mozarts Tod. Beethovens verehrte die Musik in Wien des Workoholics Luigi Cherubini, der das Genre Oper nachhaltig prägte. Die symphonische Prägung des Orchesterparts mit gewichtiger Ouvertüre, Vor - und Zwischenspielen malen die Handlung aus und passen so sehr gut zu den Videoeinspielungen. Ursprünglich gesprochene Rezitative wurden 1854 durch orchesterbegleitete ersetzt, für diese Salzburger Aufführung wurde auf die Dialoge des Originallibrettos gänzlich verzichtet.
Auch musikalisch wird höchste Qualität durch eine geglückte Auswahl des Sängerensembles erreicht.
Die junge russische Sopranistin Elena Stikhina feierte erst vor kurzen erfolgreiche Debüts an der Met nd an der Pariser Oper in diversen Spinto Rollen. Auch als Konzertsängerin hat sie auf sich aufmerksam gemacht. Mit der eindrucksvollen sängerischen Gestaltung der Medee hat sie wiederum ihr schauspielerisches Talent gepaart mit einer aussergewöhnlich farbenreichen dunkel anmutenden Sopranstimme unter Beweis gestellt. Markig und streng setzt sie ihre Tonlage an und erreicht eine mystische Färbung. Energisch widersetzt sie sich der Ablehnung Creons, schwenkt mühelos zu den Fürbitten über und triumphiert in der finalen Szene in ihrer Verzweiflungstat.
Grossgewachsen, gutaussehend nimmt man Pavel Cernoch seinen Erfolg bei Frauen ab. Jason schaffte es Medee zum Volksverrat zu überreden, als auch die Königstochter Dirce für sich zu gewinnen. Mit seinem lyrischen Tenor umgarnt er seine Umgebung, versteht aber Medee wenig entgegenzusetzen und wirkt hilflos. Vitalij Kowaljow ist ein eleganter sicherer Creon, dem aber in der stimmlichen Kraft ein satter mächtiger Klang fehlt. So nimmt er wenig Raum mit seiner Rolle ein. Rosa Feola ist eine frische jugendliche Dirce, die ihre Ängste und Zweifel ausdrückt. Alisa Kolossova rundet das Ensemble gelungen als Neris ab. Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor wirkt tatkräftig in dieser lebendigen Inszenierung mit - wie immer bestens gesanglich von Ernst Raffelsberger vorbereitet.
Copyright Thomas Aurin
21. August 2019 | Drucken
Kommentare