Mit Drive, Können und Inspiration - die Sphären starten in München

Xl_35a6e128-4d3b-4a8f-bd75-818cd5ac5e95 © N. Mackay

Sphären 1 Goecke Prinzregententheater Opernfestspiele München 25.6.2023

Mit Drive, Können und Inspiration - die Sphären starten in München

Mit einem neuen Projekt beteiligt sich das Bayerische Staatsballett an den Opernfestspielen in München. Unter dem Leitmotiv Sphären soll alljährlich ein international erfolgreicher Choreograf eingeladen werden, eine eigene Choreografie vorzustellen als auch mit jungen Nachwuchs - Choreographen ein abendfüllendes Programm zu erarbeiten.

Marco Goecke feierte Erfolge mit dem renommierten Nederlands Danse Theater, leitete das Ballett Hannover und erhielt zahlreiche Preise. Unrühmlich war seine Auseinandersetzung mit der Kritikerin Wiebke Hüster, die die Gazetten füllte. Mit All long dem day erarbeitet er mit dem Junior Ballett München eine seiner Arbeiten aus 2015, uraufgeführt in Berlin. Nach dem Text und der Musik von Nina Simones Lied Sinnerman entwickelt er aus dem textluchen Bezug eine spannende temperamentvolle bewegungsintensive Choreografie. Der Sündenmensch rennt verzweifelt und sucht ein Versteck,. Dafür fleht er verschiedentlich zu Fels, Fluss, Meer oder dem Herrn. Stoff genug für eine gefühlsgeladene mit vielen Details durchdachte Arbeit. Solotänzer stehen im Dialog zu einer Achtergruppe, verschmelzen sich und lösen sich wieder ohne Unterbrechung. Udo Haberland liefert die passende Lichtregie mit dezenter Ausleuchtung der leeren Bühne.

Nahezu nahtlos ist der Übergang zu L‘Eternite immobile von Nicolas Paul zur Musik von John Tavener, einem Vertreter der Minimal Music. In Alltagskleider arbeitet sich der Franzose an eine struktierte Langsamkeit heran. Wiederum acht Tänzer bewegen sich wie in Zeitlupe, einzelne Tänzer heben sich mit Soli ab. Die Gleichförmigkeit der Musik, die Intensität des Rhythmus mit wenig melodischer Untermalung und konsequente Zusammenführung von beidem ziehen den Betrachter magisch in den Bann.

Nach der Pause erlebt der Betrachter die gegensätzliche Ansicht von Fran Diaz mit dessen Arbeit The Habit. Der Spanier schafft mit der Musik von Cucine Povera und Ben Vince eine jazzige Technosession. Martialisch wuchtig und kantig sind die Bewegungen in den Soli, geradezu artistisch die hektische Schrittfolge. Dann wieder erscheinen wie helfende beruhigende Hände der Ballettcorps. Der gehetzte Saxophonklang verknüpft Modernität mit Klassik, rhythmisch in Dissonanzen aber ausgefeilt in der Melodie, so empfindet der Betrachter auch die Komponenten der Choreografie. Auch gibt es eine Requisite auf der Bühne, ein großer Stahlreifen hebt sich vom Boden und schwebt wie eine Krone über den Tänzern, effektvoll entladet sich mit einem Knall eine rote Lamettabombe, langsam gleiten rote Stoffbänder zu Boden und bleiben auch an der Krone hängen. Chinesisch anmutend sind die strahlend weißen Kostüme weiss mit Maschen am Kragen.

Etwas zum Schmunzeln liefert der letzte Teil des Abends. Le grand sot ist während der Pandemie von Marion Motin in Ausflügen am Strand in Nordfrankreich entstanden. Daraus präsentiert sie in München die erste Sequenz zur Musik des Bolero von Maurice Ravel. Die Tänzer und Tänzerinnen stehen in lässiger strandfähiger Sportkleidung auf der Bühne. Einzeln gemäß den musikalischen Soli lösen sich einzelne Tänzer von der Gruppe und bewegen kess und ausgesprochen akrobatisch ihr Hinterteil zum ausgeprägten immer wiederkehrenden Thema der Musik. Es ist die Strandatmosphäre spürbar, jeder beobachtet jeden, gesehen und gesehen werden ist das Begehren. Allmählich sind alle Tänzer in den Takt eingebunden. Nun tritt ergänzend eine ausgeklügelte Lichtregie mit Spot an und aus zur „quälenden* Intensität des musikalischen Leitmotiv. Die Tanzschritte wechseln und bekommen mehr Abwechslung. Gekonnt amüsant wirken die expressiv komödiantischen Bewegungen im Gleichschritt der jetzt auch an Durchsetzung verliert und sich immer wieder kleine Splittergruppen ergeben, die rasch zurückfinden. Wie in der Musik bleibt auch auf der Bühne die Spannung geladen einem Höhepunkt entgegen strebend. Der ist dann im Licht an und aus wuchtig und mit Charme ist das Ende gekommen.

Alle Stücke werden von begeisterten Publikum im ausverkauften Haus frenetisch gefeiert, zurecht wird jeder einzelne Mitwirkende lautstark belohnt .

Dr. Helmut Pitsch

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