John Kander Cabaret Stadttheater Kufstein 7.10.2022
Mitreißend entführt in das wilde Berlin der Zwanziger Jahre Das Musical Cabaret in Kufstein
Das 1966 uraufgeführte Musical Cabaret zählt zu den erfolgreicheren Broadway Produktionen, Wirklich berühmt wurde es erst als Verfilmung 1972. Dafür wurden weitere Gesangsnummern komponiert und die Handlung verändert. Der Film erhielt acht Oscars und machte Liza Minelli in der Rolle der Sally Bowles zum Weltstar.
Die berühmt berüchtigten ausgelassenen Zwanziger Jahre Berlins sowie der Aufstieg der nationalsozialistischen Partei Hitlers sind der historische Rahmen.Der einfache mittellose amerikanische Schriftsteller Cliff Bradshaw landet in Berlin in der Stockwerkspension von Fräulein Schneider und in die Hände der überdrehten Sally Bowles, einem reizvollen Revuegirl. Als Fräulein Schneider sich mit ihrem wohlerzogenen herzlichen Gast jüdischen Ursprungs, dem Gemüsehändler Schulz verehelichen will, dreht der locker frivole Duktus des Stückes in die politische Realität und Grausamkeit. Die geplante Ehe wird abgesagt, Cliff verlässt Berlin ohne Sally und am Ende erlebt der Zuschauer die schaueige Hinrichtung des Conferencier im KZ Anzug mit Davidstern.
Glücklicherweise will der Regisseur dieser Neuinszenierung am Kufsteiner Stadttheater Georg Anker keine Kopie des Films auf die Bühne bringen, sondern passt sich an die Saalbedingungen an und schafft eine gefühlsbetonte, die Darsteller überzeugend carakterisierende Umsetzung mit wenigen Requisiten. Fliessend ist der Wechsel zwischen drei Orten, dem Zimmer in der Pension mit Bett und Schreibtisch, der grosse Flur der Pension mit drei Türrahmen angedeutet, und dem Kit Kat Klub mit silbrigem Vorhang und Spots.
Die Solisten sind allesamt Laien und Mitglieder des Stadttheaters oder Theatervereinen der Umgebung. Umsomehr überzeugt die dichte und mitreißende Umsetzung mit geringfügigen sängerischen Defiziten. Stimmingsmacher ist Philip Bratschko als verschmitzter Conferencier. Der Kufsteiner hat sich dem Tanzsport verschrieben und kann aber mit seinem schauspielerischen Talent und seiner klaren vollen Stimme die Rolle bestens ausfüllen. Astrid Egger ist eine quillige Sally Bowles mit viel Herz, die auch Ernst und Mitgefühl zeigt. Stimmlich ist sie stark und dunkel in der Mittellage, in der Höhe bricht sie zur vollen Kopfstimme. Sie kann den geläufigen Hits wie Money money oder Life is a cabaret ihre persönliche Note aufsetzen.
Ehrlich und echt wirkt Albin Winkler als naiver hoffnungsvoller Cliff Bradshaw. Seine ausgezeichneten englischen Sprachkenntnisse und Aussprache machen sein Spiel noch realer. Unaufdringlich und doch sehr präsent sind Brigitte Einkemmer als Fräulein Schneider und Martin Heis als der Gemüsehändler Schultz. Stimmig ist ihr Rollenverständnis zur eigenen Persönlichkeit. Geschliffen sind die Gesten und Mimik, die schnell Mitgefühl beim Piblikum erzeugen. Akurat das Rollenbild des Ernst Ludwig durch Klaus Schneider. Der opportunistische Nationalsozialist ohne Skrupel in zackiger preußischer Manier durchstreift die harmonische Welt in der einfachen Pension von Fräulein Schneider. Thomas Scheiflinger gelingt mit kleiner Band das Berlin der Zwanziger Jahre musikalisch aufleben zu lassen. Das nüchtern trockene Spiel der fünf Musiker gibt dem Ganzen eine morbid kritische Färbung von Beginn an vor ausverkauften Haus.
Das Publikum ist begeistert und bejubelt alle Mitwirkenden.
Dr. Helmut Pitsch
08. Oktober 2022 | Drucken
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