Mozartwoche Salzburg Inspiration und Innovation
Eine Reise durch den Kosmos Mozart verspricht Rolando Villazon, der neue Intendant der Mozartwoche Salzburg. Er hat ein umfangreiches Programm für 11 Tage zusammengestellt, das einen vertieften Blick in das Schaffen des grossen Komponisten mit traditionellen Konzerten, aber auch neuartigen Formaten, wie einer sezenischen Umsetzung des Messias – in einer Überarbeitung durch Mozart – sowie zwei neuartige Bühnenprojekte umfasst. Dazu werden neue Aufführungsorte einbezogen.
Kaum ein Komponist beeinflusste die Musikgeschichte wie Wolfgang Amadeus Mozart. Kaum einer schüttete Melodien und Harmonien mit dem Füllhorn aus. Aber kaum ein Komponist stellt solche Schwierigkeiten und Anforderungen an die Umsetzung seiner Werke. Das Publikum ist mannigfaltig in seiner Erwartungshaltung - will Mozart immer jugendlich leicht, locker, freudig bis zu dramatisch aufbrausend, symphonisch vollmundig. Dies spricht für seine Opern genauso wie für seine Orchesterwerke.
Der junge Israeli Lahav Shani tritt mit den Wiener Philharmoniker an, ausgewählte Werke mit Sonderstatus des Salzburger Musikgenies zu präsentieren. Seine Karriere klingt ebenfalls nach Wunderkind. Erst 30 jährig hat er bereits Preise als Dirigent und Pianist gewonnen und zahlreiche renommierte Orchester dirigiert. Er übernahm 2017 die Position des Chefdirigenten des Rotterdam Philharmonic und 2020 des Israel Philharmonic Orchesters. Er tritt regelmäßig auch als Solist auf sowie spielt er Kammermusik. Gut vernetzt ist er auf allen Spielplänen der Konzertsäle zu finden.
Sympathisch, sportlich, modern tritt er vor das Publikum und an das Pult der Wiener Philharmoniker, eines der besten Orchester der Welt und mit Mozart bestens vertraut. Mit Walter Auer, dem Soloflötistin der Wiener Philharmoniker und Anneleen Lenaerts an der Harfe widmen sie sich zu Beginn dem Konzert C Dur für Flöte, Harfe und Orchester KV 299. Eine Parisreise war Anregung für dieses Doppelkonzert mit schlanker Orchesterbesetzung. Die beiden Solisten treten in einen angeregten Dialog, spielen sich die Motive mühelos zu, verschmelzen meisterhaft ineinander und trotzdem zeigt jeder Solist seine Kanten und Persönlichkeit. Zurückgenommen aber sehr präsent führt Lahav Shani das Orchester und lässt den concertante, den spielerischen Aufbau des Werkes durchschimmern. Im Konzert B Dur für Klavier und Orchester KV 595, dem letzten Klavierkonzert, das kurz vor seinem Tod fertiggestellt wurde, tritt der junge Musiker auch als Solist vor das Publikum. Intim zurückgenommen ist die Komposition wie eine Vorahnung des nahenden Todes. Keine artistischen Soli oder Kadenzen sondern ein in sich gekehrtes Gespräch, ein konzertantes Bekenntnis wie das Requiem. Motivierend dirigiert er vom Klavier aus, um ein Abflauen der Spannung zu verhindern. Selber zeigt er sich innigst verbunden mit der Tonsprache dieses ausserordentlichen Werkes. Orchester und Klavier finden zusammen, fliessen zusammen. Doch Mozart hat auch reizvolle Widersprüche in dem Werk verarbeitet, diese kommen in dieser harmoniegetriebenen Interpretation zu kurz. Nach der Pause rundet die Symphonie Nr. 40 g Moll KV 550 das Programm ab. Der erste Satz hat auch die Charts in der Popmusik gestürmt und so zählt dieses Werk zu den Bekanntesten Mozart. Lahav Shani gibt allen vier Sätzen ein differenziertes ausgeprägtes Stimmungsbild. Düster ist der Grundton, Moll bestimmt die Klangfärbung. Der erste Satz wird zum Aufbruch, zum Versuch des Ausbruchs, der zweite Satz eine innerliche Waschung, der dritte zum forschen Trauermarsch und das Finale zur versöhnlich leidenden Erlösung. Die Interpretationen dieser drei Werke ist stimmig und wirkt routiniert und ehrlich. Das Publikum folgt begeistert.
Innovation verspricht der Abend Mozart Moves auf dem Spielplan des Festivals. Sieben Dramolette, kleine Theaterstücke, wurden bei international renommierten Autoren und Autorinnen in Auftrag gegeben. Sie sollen sich von Mozarts Bläserdivertimenti inspirieren lassen. Der künstlerische Leiter der Mozartwoche Rolando Villazon führt wieder selbst Regie. Seine Erfahrungen als Straßen Komödiant sind klar erkennbar. Polternd marschieren die Schauspieler durch den Orchestergraben auf die Bühne. Die Schauspieltruppe ist munter in Bewegung und treibt so fließend den Ablauf. Der Bühnenumbau wird inszeniert, Mitglieder werden pfiffig im Bewegungsablauf umgezogen. Der innere Bezug der Stücke sowie zur Musik Mozarts ist schwer nachvollziehbar und bleibt als Experiment fragwürdig - auch wenn Musik und der Komponist symbolhaft von den Autoren einbezogen wird.
Die Marke Mozart wird zur vielsagenden Dating Anzeige verarbeitet: schlicht „Ich liebe Mozart“. Hier wird mit der Vorstellungskraft um den Meister kokettiert, aber auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Geschäft um die Partnersuche geführt. Gesellschaftskritik und Abnormitäten werden zumeist mit Humoresken verknüpft, wie dies auch Mozart in seinen szenischen Werken meisterhaft verpackte.
In dieser Anlehnung an das Genie reicht es leider nur zur mangelhaften Situationskomik, die gähnende Lähmung unterbricht. Der Abend nimmt nicht wirklich Fahrt auf. Die Stücke werden mit Engagement schauspielerisch gut vorgetragen aber reißen nicht mit. Die wenigen Einspielungen durch das Mozarteumorchester Salzburg wirken verloren. Der Meister kann es auch nicht mehr richten. Die wenigen verbleibenden Zuschauer zollen vornehmen Applaus.
31. Januar 2020 | Drucken
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