"Brauchts das?" , "Warum szenisch?" So lauten verschiedene Pausenkommentare, aber die Stimmung ist überwiegend begeistert über diese szenische Umsetzung von Georg Friedrich Händels Oratorium " Der Messias" in einer musikalischen Überarbeitung durch das Salzburger Musikgenie Wolfgang Amadeus Mozart. Immer wieder werden in letzter Zeit die Oratorien des Sachsen szenisch umgesetzt, immer wieder werden die Versuche gestartet, etwas Neues zu schaffen oder eben neue Interpretationswege zu gehen. Die Mozartwoche beschreitet hier gleich doppeltes Neuland.
Eine szenische Umsetzung durch den Regie Altmeister Robert Wilson und musikalisch in der Fassung seines Hauskomponisten. Viel hat der Kulturinteressierte bereits von Robert Wilson im Laufe dessen Karriere sehen können. Opern- oder Theaterinszenierungen, Installationen, Video- oder Performancekunst, in vielen Genres ist dieser begnadete Künstler unterwegs. Immer wieder beeindruckt er mit seinem Geschmack, seiner Ästethik und im Ende schlichten Darstellung. Meist wählt er schwarz weiss mit geschliffenen Lichteffekten, elegante Kostüme in klarer, oft historisch anmutender Linie, die Bewegungen sind minimalistisch, langsam und statisch. Immer wieder denkt man an asiatische Holzschnitte oder Marionettentheater. Aber diese Bilder bewegen, erzeugen Assoziationen und Gefühle, prägen sich in ihrer klaren Linie ein. So auch in dieser, seiner aktuellsten Schöpfung.
Inhaltlich beschreibt Händels Messias Szenen aus dem Leben Jesus Christus, verfügt aber über keine handelnden Personen. Raum genug für den Amerikaner auf eine "spirituelle" Reise zu gehen. Fasziniert von der "Struktur" der Komposition ist diese Struktur sein architektonischer Rahmen, wie er in seinen Bemerkungen im Programmheft anführt. Für die barocke Musik und die Kunst des Kontrapunktes ist dies gut nachvollziehbar. Die leere Bühne wird in den Kanten der umgebenden Wände in hellen Lichtstreifen ausgeleuchtet und grenzt den Handlungsraum klar ein. Die Chorsängerinnen treten in halblangen, leicht ausgestellten schwarzen Kleidern auf, die Haare hochgesteckt, die Herren in dunklen Anzügen (Kostüme von Carlos Soto).
Die vier Solisten sind phantasievoll in wahre Masken gesteckt. Der Tenor mutet ägyptisch an mit hohem Kopfschmuck, der Bass erinnert an eine Kabarettconferencier mit weissem Gesicht, gegelten Kurzhaar mit Mittelscheitel und hellem Anzug mit Weste. Der Sopran im langen weitem schillernd weissem Kleid und der Mezzo in grünem Kleid mit roter Topffrisur. Wilsons Regie nimmt darstellerisch keinen Bezug zum Text sondern lässt gekonnt und stimmungsvoll Bilder, Auftritte aneinandergereiht vorbeiflimmern. So kommt auch ein Tänzer - Alexis Fousekis ein griechischer Performance Künstler, der bereits öfters mit Richard Wilson gearbeitet hat - zum Einsatz, der in makelloser Gestalt mit akrobatischen Bewegungen , als auch als Astronaut oder Strohmann zum Einsatz kommt. Meist ist die Bühne von hinten hell angeleuchtet, im Vordergrund wird immer wieder im Schattenspiel agiert.
Im Orchestergraben verzaubert Marc Minkowski mit seinen Musiciens du Louvre, die in der Fassung von Wolfgang Amadeus Mozart die symphonische Anreicherung durch die ergänzten Bläserstimmen zu nutzen wissen. Der Orchesterklang wirkt weicher, breiter und bettet samten die Gesangsstimmen ein. Der Dirigent wählt ein ansprechend flottes Tempo aber führt ohne Hetze, variiert zurückgenommen Lautstärken, die Sänger werden nie zugedeckt und behalten Spielraum nahezu ariös oder liedhaft zu singen. Diese Chance nutzen die Solisten mit hörbarer Freude.
Elena Tsallagova ist auf allen grossen Opernbühnen der Welt zu Hause und führt ihren zierlichen leichten Sopran anmutig in den Koloraturen und langgezogenen Melodieläufen. Mozart vertonte eine deutsche Textversion von Friedrich Gottlieb Klopstock und Christoph Daniel Ebeling, die der Hofarzt van Swieten in Hamburg sowie die Kopie eines Partiturdruckes besorgt hatte. In den deutschen Textpassagen baut die Sopranistin komprimiert Gefühle und Emotionen ein, die die eckige Bewegungsregie nicht zulässt. Versteinert wirkt Richard Croft in seiner Maske, erzählend akklamatorisch wirkt seine Darbietung. Sein Tenor zeigt klare verständliche Ergüsse bis in die dunkelste Tiefe, ebenso sicher bewegt er sich in üppig angereicherten Koloraturen und weit angelegten Legati. Wiebke Lehmkuhl ist eine Mezzosopranistin mit Farben und Flexibilität. Selbstbewusst und pointiert, musikalisch routiniert und nuanciert sind ihre Auftritte. José Coca Loza bekommt vom Regisseur den grössten Gestaltungsraum. Der junge Bolivianer nimmt die Herausforderung sichtlich mit Humor und kräftiger aber schlanker Stimme auf. Hervorragend von Walter Zeh vorbereitet, präsentiert sich Philharmonia Chor Wien, der neben makellosem Singen auch einiges an choreographisch gestalteten Bewegungsabläufen übernimmt. Dramatisch gestaltet Marc Minkowski die letzten Takte, inszeniert genussvoll grosse Pausen bevor die letzten "Amen" Rufe ausklingen und er die Hände sinken lässt und grosser Beifall losbricht.
28. Januar 2020 | Drucken
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