München Der Rosenkavalier - Regie von Barrie Kosky schrammt gekonnt an Boulevardkomödie vorbei

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Richard Strauss Der Rosenkavalier Bayerische Staatsoper 29.3.2025

Der Rosenkavalier München -  Regie von Barrie Kosky schrammt gekonnt an Boulevardkomödie vorbei

„Die Zeit ist ein gar sonderbar Ding“ - die Vergänglichkeit ist ein zentrales Thema der Komödie von Hugo von Hoffmansthal mit Musik von Richard Strauss. Die Zusammenarbeit der beiden Künstler zählt zu den fruchtbarsten Duo der Musikgeschichte. Versinnbildlicht In Form einer Uhr greift Barrie Kosky dieses Thema in seiner Neuinszenierung der Oper auf. Eine große Standuhr schlägt vor Beginn des ersten Aktes und wirbelt zur Musik des Vorspiel durch die Luft. Wieder im Stillstand tritt die Feldmarschallin aus dem Uhrenkasten, Octavians Hände umspielen sie. Das Bühnenbild von Rufus Didwiszus zeigt ihr edles barockes Palais in Sgraffittotechnik schwarz weiss. Durchgehend werden Möbel, Wände oder Requisiten wie Blumenstöcke von schwarzgekleideten Bühnenarbeitern bewegt. Zu Vogelgezwitscher der Partitur tauchen Vögel an Stangen gehalten auf. Der Sänger tritt als Kopie Farinellis mit Federkopfschmuck auf. Die Kostüme von Victoria Behr sind zumeist modern, vereinzelt auch historisiert, wenn Octavian in glänzender Uniform mit Säbel erscheint. Dieser passt auch besser hier als zum Smoking.

Der zweite Akt spielt in Sophie von Faninals Schlafzimmer im üppig neureich mit Gemälden behangenen Stadtpalais des Edlen von Faninal. Wieder eröffnet eine Uhr, diesmal läutet Sophies Wecker schrill. Ihr Bett wird ständig herumbewegt, Octavian reist mit seiner silbernen überladenen Prachtkutsche bis vor die Bettkante an, von einem spontanen Szenenapplaus vom überwältigten Publikum begleitet. Ein Heer von Doppelgängern entsteigt der Kutsche bis der echte Rosenkavalier seine Übergabe der Rose aus der Kutsche heraus singt. Die zündende Begegnung von Sophie und Octavian findet nicht wirklich statt. Dafür viel Klamauk, wenn Lerchenauers Dienstboten als halbnackte Faune und Bachanten und Bachantinnen herumhopsen oder Faninal mit Hörnern erscheint.

Derer Einfälle hat Barrie Kosky zu Haufe und entzieht der Oper ihre Sinnlichkeit und überschüttet sie mit aktionsreichen Szenen und handelnden Personen. Insbesondere der Einfall, die Zeit auch in der Person eines alten nackten nur mit Boxershort bekleideten Mannes mit wechselnden Engelflügeln in Szene zu setzen verleiht der Handlung unterhaltsame Würze. Er begleitet in schlurfendem Gang den gesamten Abend, tritt in unterschiedlichen Rollen auf, mal als Mohammed dem Diener der Marschallin oder als Kutscher Octavians, als Soffleur in den überladenen Massenszenen des dritten Aktes und im Schlussbild wieder auf der Standuhr hockend, in der die Feldmarschallin wieder ihren Abgang findet. Sie tritt in das Gehäuse ein und setzt sich auf das goldene Pendel. So findet Kosky geschickt zum Ausgang der Geschichte zurück und schliesst nahezu märchenhaft.

Die Wiederaufnahme dieser Rosenkavalier Serie an der Bayerischen Staatsoper dirigiert wiederum GMD Vladimir Jurowski. Er ist für sein präzises Dirigat, nahezu asketisches Ausformulieren von Partituren bekannt. Er verwandelt den Einfallsreichtum des Komponisten von Romantik bis zur Moderne in ein expressives dynamisches Klanggebäude. Überschwengliche Harmonieentladungen entnimmt er den Zuckerguss und lässt sie feinnervig transparent erklingen. Rhythmische Ausbrüche verstärkt er. In der Begleitung der Sänger bleibt er geradlinig, ruhig und unterstützt in der Melodieführung. Aufmerksam führt er die Einsätze der Sänger, sodass die zentralen Duette und Terzette klar und sicher gelingen.

In der Auswahl des Ensembles setzt die Staatsoper auf zahlreiche neue Besetzungen mit leider oftmals nicht ausreichenden Verständnis oder Zugang zur deutschen Sprache, der gerade in den vom Text getragenen Opern von Richard Strauss prägend ist. So wirkt Jacqueline Wagner als Feldmarschallin trotz strahlendem beweglichem Sopran eindimensional und monoton ohne Expressivität. Ihre tragende philosophische Rolle der Grande Dame verkümmert zur verblassten Normalo-Hausfrau, auch zum Teil der Regie und den unpassenden Kostümen geschuldet. Samantha Hanjey gelingt in der Hosenrolle als Octavian ein gut aufgespieltes Rollenporträt eines jungen stürmischen Draufgängers edler Herkunft. Ihr Mezzo beeindruckt mit klaren leicht geführten Höhen, farblich bleibt sie hell feminin. Der Brite Brindley Sherratt müht sich redlich als Baron Ochs von Lerchennau einen Wiener Flair zu verbreiten. Seine Verständlichkeit ist sehr eingeschränkt, sein Rollenporträt wirkt gekünstelt und seine humoristische Zeichnung versandet. Stimmlich zeigt sein warmer Bass Defizite in der Tiefe. Liv Redpath vermittelt in ihrer Umsetzung der Sophie eine sehr selbstbewusste freche junge Dame, die sehr wohl gegen den Wunsch des Vaters aufsteht. Ihr gelingt am besten der verständliche Umgang mit und Ausdruck der deutschen Sprache. Höhensicher entschwindet sie filmreif im Finale gemeinsam mit Octavian in himmlische Höhen an Bändern gezogen. Jochen Schmeckenbecher ist ein gut gespielter sicherer Edler zu Faninal, Galeano Salas trägt formvollendet seine Arie als Sänger vor, seine Kostümierung erinnert an den Film über den berühmten Kastraten Farinelli.

Insgesamt ist der Abend ein ausgeklügeltes Spektakel wie zumeist die Inszenierungen des Australiers, entspricht aber der inhaltlichen Handlung ohne weitere Deutung. Musikalisch sichert Jurowski höchstes Niveau. Das Publikum zeigt sich bestens unterhalten und zufrieden und bedankt sich ausgiebig.

Dr. Helmut Pitsch

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