München – Dieser Holländer fliegt in fulminanter Besetzung

Xl_der_fliegende_hollaender_2025_b.bruns_c.nylund_c_geoffroy_schied__2_ © Geoffroy Schied

Richard Wagner Der fliegende Holländer Bayerische Staatsoper 28.3.2025

München – Dieser Holländer fliegt in fulminanter Besetzung

Vielschichtig sind die Kostüme und Bühnenbilder von Johannes Leiacker der aus 2005 stammenden Inszenierung von Richard Wagners romantischer Oper Der Fliegende Holländer. Im ersten Akt erleben wir eine sehr traditionelle Küstenszene mit Klippen, Gewitterwolken und Blitzen. Fremdartig sind die Klappsessel und der Campingtisch an dem Daland seinen mysteriösen Kapitänskollegen in historischen Kleidern mit Stiefel und Barrett bewirtet. Auch dessen Matrosen könnten einem klassischen holländischen Gemälde des 15. Jahrhunderts entstammen. Mit einer vollen glitzernden Schatztruhe wie aus dem Märchen gewinnt der leidende, auf den Meeren Herumirrende Dalands Vertrauen und dessen Versprechen der erlösenden Heirat mit dessen Tochter Senta.

Nachdem der Vorhang nach jedem Akt geschlossen wird, trifft der Zuschauer im zweiten Akt auf ein modernes helles Fitnesstudio. Auf Spinningrädern trainieren die auf die Rückkehr der Seemänner wartenden Bräute in bunten Leggings. Erik im Bademantel zertrümmert Sentas angebetetes Portrait eines Holländers in Öl, sein Konkurrent um ihre Liebe. Der kleidet seine rasch Eroberte im mitgebrachten verwaschenen Hochzeitskleid samt Schleier. Ein weiterer Szenenwechsel führt im dritten Akt in eine große Werfthalle. Die mysteriöse Mannschaft des Holländers kauert regungslos auf Bänken, die Dorfgesellschaft feiert ausgiebig daneben. Senta löst des Holländers Fluch lautstark mit der Explosion eines Pulverfasses. Es herrscht Dunkelheit und Stille. Die Schlussmusik kommt aus dem Off, die Protagonisten reihen sich zum Schlussapplaus auf und zu den letzten Tönen ist der Zuschauerraum bereits hell erleuchtet. Sind wir da alle schon im Himmel?  Zögerlich setzt der Applaus ein.

Die Regie führte der renommierte deutsche Regisseur Peter Konwitschny. Als besonderen Einfall führt er einen Engel ein, der die Visionen des verfluchten Seefahrers aktiv im langen weißen Trägerkleid begleitet. - nicht wirklich ein Mehrwert für die Handlung. Ansonsten verläuft der Abend in seiner Deutung klassisch, die Personenregie ist auf die Beziehung der Charaktere ausgerichtet und das gestaltete Ambiente eignet sich für das Repertoire. Der wie zumeist sehr gut vorbereitete und gesangsfreudige Chor der Bayerischen Staatsoper kommt fleißig zum Einsatz und darf ausgiebig mitspielen, sei es für die Damen auf den Sportgeräten, die Herren dürfen als Seemänner in Feierlaune schunkeln und den Lastern frönen. 

Mit viel Verve und forschem Tempo startet Patrick Lange am Pult in das farbenreiche Vorspiel. Mit Inspiration wechselt er in das romantische Erlösungsmotiv, spinnt mit klarem Duktus die Erzählung weiter. Unprätentiös und zurückhaltend begleitet er die Sänger, derweilen mitunter die Musiker unkonzentriert wirken. Die Zwischenspiele nutzt er mit dem Orchester einen fbildreichen als auch breit angelegten romantischen Klangteppich zu weben. Es herrschen Gefühle und weniger Dramatik in dieser Ausführung von Richard Wagners Frühwerk, das erst 1901 in den Werkkanon der Bayreuther Festspiele aufgenommen wurde.  

Für diese Wiederaufnahme stellte die Bayerische Staatsoper ein erstklassiges Sängerensemble zusammen trotz einiger Umbesetzungen. Anstatt Gerald Finkey übernahm Nicholas Brownlee die Rolle des Holländer. Der US Amerikaner überzeugte das Münchner Publikum bereits als Wotan in der Neuauflage der Oper Das Rheingold,ebenfalls von Richard Wagner. Auch hier brilliert er mit seiner außerordentlichen Wortverständlichkeit und seinem samten eleganten hell gefärbten Bassbariton. Dazu mimt er einen stattlichen, fühlenden Edelmann, der mit seinem Schicksal hadert und sich nach Erlösung sehnt. So gewinnt er nicht nur Senta sondern auch die Herzen der Besucher im Haus.  

In der Rolle der Senta erwartete man ursprünglich mit Spannung Asmik Gregorian, die aber nach ihrem Erfolg als Norma in Wien alle Auftritte abgesagt hat. Mit Camilla Nylund wurde aber mehr als ein würdiger Ersatz gefunden. Die Finnin begeistert derzeit an vielen Häusern in den unterschiedlichsten Rollen und Fächern mit ihrem wandelbaren sicheren und sehr breiten Sopran. So dringt sie klar und strahlend in die anspruchsvollen Höhen dieser Partie und bleibt präsent mit leicht geführter Stimme in der Mittellage, auch die tiefe Lage singt sie gut intoniert aus. Reich an Nuancen gestaltet sie ihre große Ballade über das Los des Holländers, energisch wehrt sie sich gegen das Verlangen ihres Verlobten, die Zustimmung ihres Vaters zur Hochzeit zu erlangen. Der führt in der Person von Franz Josef Selig andere Gedanken im Schilde und ist vom Schatz des Holländers sichtlich angetan. Auch er ist ein ausgesprochener Wagnerinterpret, mit großer Ausdruckskraft und Präsenz auf der Bühne. Als Schiffsführer wie als Vater kann er mit sicherer und gut verständlicher Stimme überzeugen.

Mit seinem lyrischen und vollmundigen Tenor mit gut ausgeführter Höhe gelingt es Benjamin Bruns das Mitgefühl der Zuhörer zu erreichen. Viel Esprit legt er in seine Traumerzählung, mit Schmelz verpackt ringt er um die Liebe seiner angebeteten Senta, kann diese aber nicht von ihrer Bestimmung retten. Durch das aufwühlende Zusammenspiel der beiden wird diese Szene im zweiten Akt zu einem Höhepunkt des Abends.

Mit Natalie Lewis als Mary, hier die Betreiberin des  Fitnessstudios und Tansel Akzeybek als träumerischen, dem Alkohol zusprechenden Steuermann sind auch die Nebenrollen sehr gut besetzt.

Großer Beifall und Bravorufe am Ende eines gelungenen Opernabends.

Dr. Helmut Pitsch

 

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