München - Modern ehrlich mit einem Schuss überdreht unterhaltsam - Figaro auf hohem musikalischem Niveau

Xl_f0765fc3-2cb9-4fc4-9340-53b853532f79 © Winfried Hösl

Wolfgang Amadeus Mozart Le Nozze di Figaro Nationateather München 12.11.2023

Modern ehrlich mit einem Schuss überdreht unterhaltsam - Figaro auf hohem musikalischem Niveau in München.

Es ist das Regiedebüt von Evgeny Titov an der Bayerischen Staatsoper. Der Kasache startete seine Karriere als Schauspieler in St Petersburg bevor er am Wiener Max Reinhardt Seminar Regie studierte. 2020 folgte seine erste Opernregie in Wiesbaden. Das Leben im Hause Almavivas erinnert an eine ausschweifende dekante Spassgesellschaft. Das Bühnenbild von Annemarie Woods ist nüchtern. Die Wände sind unverputzt, ungepflegt, an manchen Stellen wird pinke Farbe aufgetragen. Der Garten im 4 Akt zeigt sich als Hinterraum mit Cannabiszucht, das auch immer wieder konsumiert wird. Die Kostüme stammen auch von ihr und sind originell bunt und erinnern an die 60iger. Ein monströser Gebährstuhl, als Sexspielzeug umgebaut, steht sinnbildhaft für die Lüste und Gelüste des Hausherrn. Ebenso dient ein voluminöses rosa Sofa als Requisit.

Der Conte kriegt durch die geschickte Personenregie aber insbesondere durch den Auftritt von Huw Montague Rendall eine große Strahlkraft. Seine Lässigkeit, in Ansätzen schmierige und arrogante Geltungssucht verknüpft er mit seinem britischen trockenen Humor. Im Glitzerdress in weiss und rosa wird dies bildhaft untermauert. Stimmlich verfügt er über einen klaren kräftigen und auch lyrischen Bariton mit feiner Höhe. Elsa Dreisig ist derzeit eine breit gefeierte Contessa Almaviva. Mit ihrer eleganten Erscheinung und ruhigen Haltung ist sie ein passender Gegensatz zum lebhaften Gatten. Ihre Stimme unterstreicht mit einer feinsinnigen, klar intonierten und ruhig geführten Melodien die Qualität und technische Sicherheit. Vollmundig artikuliert sie die Vokale und versteht Gefühle zu unterlegen. Louise Alder passt als bodenständige rührige Susanna mit einer präsenten Sopranstimme und beherzten Rezitativen wiederum gut dazu. Konstantin Krimmel ist ein gutgläubiger ehrlicher Figaro, der seine edle Abstimmung vorausnimmt. Sängerisch fügt er sich gut in das Ensemble ein. Avery Amereau ist ausdruckstark in der Hosenrolle des Cherubino und tritt vielschichtig überzeugend in Erscheinung, unterstützt von Verkleidungen. Als einfacher Soldat mit Helm und Glatze, als sexy Liedsänger oder als Bräutigam von Barberina im weißen Hochzeitskleid. Ein Schuss gendern findet sich überall.

Der Abend bringt auch ein Wiedersehen mit Dorothea Röschmann als Marcellina. Sie ist eine ausgesprochene Mozartkennerin und hat viele Rollen verkörpert. Am Beginn ihrer Karriere standen Rollen wie Susanna oder die Contessa Almaviva. Diese Erfahrung und ihre würdig gereifte Stimme bringt sie mit ihrem schauspielerischen Talent ein. Auch Willard White als Bartolo ist in verschiedenen Rollen in München aufgetreten. Hier bleibt er farblos gegenüber seinen spielfreudigen Kollegen. Als Basilio rundet Thomas Ebenstein das gut zusammen gesetzte Ensemble ab.

Stefano Montanari zeigt sich als wahrer Mozartkenner und versteht die Partitur sehr klar mit viel Schwung und Leichtigkeit aber auch mit Gewicht auszugestalten. Das Orchester ist bestens vorbereitet und folgt aufmerksam. Es entwickelt sich ein wunderschön samtiger anschmiegsamer Klang, wohl in Tempi und Volumen für das große Haus austariert.

Großer Jubel im ausverkauften Haus

Dr. Helmut Pitsch

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