München: Tosca - Ein originelle Regieidee, die überfrachtet nicht zündet und auch Puccini nicht retten kann.

Xl_tosca_2024_c_wilfried_hoesl__8_ © Winfried Hösl

Giacomo Puccini Tosca Bayerische Staatsoper 6.6.2024


München: Tosca - Ein originelle Regieidee, die überfrachtet nicht zündet und auch Puccini nicht retten kann.

Nach einer nicht überzeugenden Inszenierung von Luc Bondy von Giacomo Puccinis Publikumsliebling Tosca waren die Hoffnungen des Münchner Publikums groß. Doch die Neugestaltung des spannenden Dramas um Macht und Machtmissbrauch, politische Willkür und Liebe kann diese nicht erfüllen. 

Das Leben und die Persönlichkeit des umstrittenen und nun anerkannten und geehrten italienischen Filmregisseur Pier Paolo Pasolini schwebt Kornel Mundruczko in seinem Regiekonzept als Verkörperung des Mario Cavaradossi vor. Statt eines Malers erleben wir den Filmregisseur im ersten Akt am Werk. Dabei vergreift sich der ungarische Regisseur plattitüdenhaft an Schöpfungen des Italieners und versucht vor Beginn der Oper mit einer gestellten Szene aus Pasolinis letzten Film „Die 120 Tage von Sodom“ /1975) zu erinnern. Ohne Bezug kommt der flüchtende Angelotti auf die Bühne und findet sein Versteck in einer Kiste. Viele Statisten eilen eher hilflos an einem Filmset herum. Ständig wechseln Filmaufnahme und Handlung der Oper. Statt an der Leinwand werden drei nackte Frauen mit roter Farbe beschmiert und, dem großen französischen Maler Yves Klein nachgemacht, ihre Körper auf eine weiße Leinwand gedrückt. Ins lächerliche fällt hier Toscas Wunsch, der Magdalena noch schwarze Augen zu malen. Der Auftritt Scarpias wirkt alles andere als martialisch oder furchteinflößend. Zu üppig ist die Bühne immer wieder mit vielen Statisten oder Chormitgliedern besetzt, die nicht wirklich wissen, was sie zu tun haben. 

Das Bühnenbild von Monika Pormale entspricht auch nicht der Geschichte oder dem Libretto. Statt in einer Kirche sind wir in einem undefinierbaren Raum mit edlen Türen sowie großen Holztüren wie in einem Lager. Große Spiegel hängen an den Seitenwänden. Scarpias Palazzo Farnese ist ein elegantes gelbes Wohnzimmer mit Fauteuils und Leuchter, das als Guckkasten vom Bühnenhintergrund in das Bild des ersten Aktes geschoben wird. Zur Folterszene wird das Wohnzimmer in die Höhe gehoben und der Blick in den Folterkeller wird freigelegt. Dabei verliert der Akt jegliche Spannung der Begegnung von Tosca und des lüsternen Scarpia, die sich in nicht einsichtbarer Höhe bewegen. Wiederum werden breit angelegte Gewaltszenen eingebaut, die ihren dramatischen Effekt nicht erfüllen können. Der Aufmarsch von entjungferten Frauen zur Schlussmusik des zweiten Aktes vergibt weitere Dichte musikalische Momente. 

Zu bedauern ist der Tenor im dritten Akt, der zu seiner großen Arie „E lucevan le stelle“ gegen eine Flut von Videoprojektionen im Halbdunkel ansingen muss. Zur Hinrichtung erscheint Tosca mit den gepackten Koffern, im anschließenden Duett schreiten beide jeweils mit ihrem Koffer auf eine Terrasse mit Blick auf einen See und Berge zu. Dies wird mitten in Rom nicht möglich sein. Zur Hinrichtung spritzt viel Blut im wieder hochgefahrenen Folterkeller. Tosca entflieht daraus über eine Wendeltreppe, nach ihrem Todessprung in den Tiber sprüht die Gischt nochmals heftig Blutspritzer in die Folterkammer. Danach ist das reizüberflutete nicht wirklich mitgerissene Publikum erlöst. 

Der Beifall nimmt erst Fahrt auf als Eleonora Buratto vor den Vorhang tritt. Sie überzeugt stimmlich als eine moderne Frau zwischen Ruhm und echten Gefühlen. Verträumt kokett umgarnt sie ihren Geliebten, die Auseinandersetzung mit Scarpia können beide nicht wirklich in diesem Regiekonzept ausfechten. Ihr Sopran erfreut mit heller leichter Höhe, ihr „Vissi d’arte“ berührt und ist farblich bestens nuanciert.

Charles Castronovo ist ein energischer emotionsgeladener Cavaradossi, der zumeist mit viel Druck Volumen aufbaut. Zu Beginn zieht er die Töne in die Höhe und intoniert unsicher. Sehr bedacht und fein ausgeleuchtet zeigt er seinen Tenor in seiner großen Arie, die von Regie kräftig überspielt wird. Einen markigen kraftstrotzenden Scarpia bringt Ludovic Tezier auf die Bühne. Sein Bariton hat Fülle und dunkles Timbre. Dieses setzt er gekonnt ein, um verschlagen bis mystisch seine Umgebung zu dominieren oder wie im Fall Toscas zu umgarnen. Auch im Spiel verkörpert er Macht, Gier bis sadistische Wolllust. 

Farblos bleibt Milan Siljanov als Angelotti, Martin Snell fügt sich geschickt in das Regiekonzept und mutiert vom Messner zum agilen Regieassistenten.

Andrea Battistoni  bringt am Pult viel Verismo. Sein Dirigat schafft Räume mit großem Volumen. Er fordert die Sänger, legt diesen aber einen klangschönen Teppich zu Grunde. Mit Gespür setzt er weite Klangbögen in Szene und findet sehr passende Tempi. Es gelingt ihm aber nicht, die mannigfaltige Aktivität auf der Bühne musikalisch zu erreichen. Das Orchester wird zudem von den Bildern und Aufmärschen übertrumpft. Mit der verlorenen Verbindung Graben zu Bühne verliert der Abend an Spannung, Intimität und Überzeugung. 

Das Publikum feiert kurz und heftig die Sänger und verlässt rasch den Saal. Diese Tosca hat das Publikum sichtlich und hörbar gespalten. 

Dr. Helmut Pitsch

 

 

 

 

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