2. Akademiekonzert Bayerisches Staatsorchester Das Bayerische Staatsorchester ist auch das Opernorchester des Nationaltheaters in München und eines der ältesten Orchester überhaupt. Aus der Münchner Hofkapelle heraus entstanden, werden immer wieder Spuren des Orchesters bis 1523 aufgeführt. Faktum aber ist, dass das Orchester sich zu einem Spitzenklangkörper entwickelt hat. Seine Akademiekonzerte wurden 1811 ins Leben gerufen und sind zu einem festen Bestandteil des Münchner Konzertprogrammes geworden und geniessen hohes Ansehen sowie entsprechendes Publikumsinteresse. Insbesondere, wenn der GMD persönlich Kirill Petrenko den Stab in die Hand nimmt. Seit seiner Berufung zum künstlerischen Leiter der Berliner Philharmoniker ist sein Ruf nochmals gestiegen. Insofern ist es von Interesse neben seinen Operndirigaten seine symphonischen Interpretationen kennenzulernen. Mit dem zum Konzertsaal umfunktionierten Opernhaus steht dem Orchester auch ein akustisch ansprechender Raum zur Verfügung. An anderen Stellen wird hier in München zur Zeit intensiv geplant und gearbeitet. Arnold Schönberg hat nur zwei Solistenkonzerte hinterlassen. Diese hat er auch erst spät geschaffen. Das Violinkonzert ist bereits im amerikanischen Exil im Alter von 62 entstanden. Dies liegt vermutlich an seiner Ablehnung von Starkult, seiner Bescheidenheit sowie kompositorischen Entwicklung zusammen. "Diejenigen, die komponieren, um anderen zu gefallen, und an das Publikum denken, sind keine wirklichen Künstler" schrieb er in seinem Aufsatz Herz und Hirn in der Musik. Trotzdem sind seine beiden Solokonzerte, das Violinkonzert und das Klavierkonzert virtuose Meisterwerke mit höchsten Ansprüche an die Interpreten. Darüber konnte sich das Publikum des 2. Akademiekonzerts beim Genuss des Violinkonzertes überzeugen. Patricia Kopatchinskaja stammt aus Moldawien, ist aber früh nach Österreich gekommen. Dort studierte sie Violine und Komposition. Mittlerweile spielt sie in allen grossen Konzertsälen und schürt ihren Starkult mit ihrer Gewohnheit barfuss auf der Bühne zu spielen. Auch kleidertechnisch trumpft sie auf. In einem bodenlangen weissen Kleid mit langen Ärmeln wirbelt sie auf der Bühne wie ein engagierter Engel herum. Aber sie ist konzentriert bei der Sache. Auch wenn alles leicht und locker erscheint. Der Strich wird präzise geführt und mit grösster Konzentration zieht sie ihrem Instrument die höchsten, ja schon elektrisch sphärischen Töne heraus. Jeder einzelne Ton ist klar erkennbar und abgrenzbar, noch in dieser Höhe ist die chromatische Tonleiter differenziert hörbar. Auch rhythmisch und harmonisch hat sich Arnold Schönberg einiges einfallen lassen, um dieses 40 Minuten lange Werk sehr abwechslungsreich zu gestalten und an die klassische symphonische Dreisätzigkeit angelehnt. Grossflächig ist die Partitur, die die Künstlerin persönlich hoch über ihrem Haupt neben ihrem Instrument hereinträgt. Wie eine Tempelzeremonie wird ihre Vorführung eingeleitet. Sie behält Augenkontakt mit dem Dirigenten, den sie bereits aus der Studienzeit kennt und sucht auch immer wieder die Solopartner im Orchester. Anmutig ohne Kraft oder Anspannung erkennbar oder hörbar spielt sie das Werk ungekünstelt und mit spielerischer Leidenschaft. In Hochgeschwindigkeit werken ihre Finger am Geigenhals und tummeln sich bei den zahlreichen hohen Tönen nah vor ihren Augen. Die Fingerfertigkeit berauscht. Einfühlsam und akzentuiert begleitet das Staatsorchester. Kirill Petrenko ist dafür bekannt Stimmen zu zerlegen und Transparenz zu schaffen. Auch hier entwickelt sich ein kammermusikalischer Klang und rundet Dissonanzen und bizarr anmutenden Zwölftonklang ab. Das Publikum zeigt sich der modernen Musik und Interpretation aufgeschlossen und erklatscht sich zwei Zugaben. Begleitet jeweils von einem Orchstermusiker wählt die junge Geigerin ein Stück von Jörg Widmann und Darius Milhaud und spielt sich mit ihrer Herzlichkeit und frischen Art in die Gunst des Publikums. Nach der Pause kehrt symphonische Klassik mit der zweiten Symphonie von Johannes Brahms zurück. Das Werk zumeist in den Sommermonaten in Kärnten entstanden ist eine Anbetung der Natur. Stimmungen über den Tag verteilt grossflächige Gefühlsregungen entflossen dem norddeutschen Komponisten aus den Händen. Die beiden Eingangssätze werden von Kirill Petrenko nüchtern abstinent diszipliniert gehalten, keine breite romantische Berauschung an der Natur ist zu spüren. Wiederum unprätentiös und klar bleibt die Orchesterkraft gebündelt bis zum dritten Satz, einem anverwandten Scherzo mit tänzerisch melodiösen Motiven. Es herrscht Aufbruchstimmung und aus dem Instrumenten entsteht voller satter Klang, es blüht und wächst hörbar. Schwungvoll und mit grossem Volumen geht es in das Finale, das geschickt aufgebaut dem Höhepunkt zustrebt und freudenvolle positive Stimmung ausstrahlt. Der Erfolg seit der Uraufführung dieses Werkes lässt sich hier nachvollziehen und wird im Applaus des Publikums bestätigt.
23. Oktober 2018 | DruckenAgenda
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