Neuenfels macht Manon Lescaut zum Psychodrama mit humoristischer Würze

Xl_manon_lescaut_2023_c_w.hoesl__2_ © Winfried Hösl

Giacomo Puccini Manon Lescaut Bayerische Staatsoper 22.2.2023

Neuenfels macht Manon Lescaut zum Psychodrama mit humoristischer Würze

Er war ein ganz großer unter den zahlreichen Opernregisseuren. Der 2022 verstorbene Hans Neuenfels hinterließ ein umfangreiches Oeuvre an ausdruckstarken szenisch intensiven intellektuellen Inszenierungen die mitunter mit Ironie und Humor gewürzt sind.

Eine solche verspürt der Betrachter auch bei der derzeit laufenden Wiederaufnahme der 2014 entstandenen Regie von Giacomo Puccinis Manon Lescaut an der Bayerischen Staatsoper.

Modern wenn nicht futuristisch ist das karge Bühnenbild von Stefan Mayer. Ein mit dünnen Leuchtröhren umgebener Rahmen gibt den Blick auf graue Wände. Im ersten Akt gibt es eine transparente Wand, aus der einzelne Elemente sich bewegen. Im zweiten Akt eine nüchterne Designausstattung mit üppig beladenem Regal. Ein Rolltor öffnet sich als Gefängnistor im dritten Akt. Ein von Brandspuren gezeichnetes Loch wird zur Einstiegsmole für die Verschiffung der Gefangenen. Die Not in der Wüste führt wieder zum leeren Grau.

Wenig unspektakulär wirkt so die optische Gestaltung, munter machen die bizarren Kostüme von Andrea Schmidt Futterer und die Personenregie des Regisseur. Wie ein Zirkusdirektor mit Peitsche schwirrt da Edmondo auf der Bühne, grotesk wie Clowns erscheint das Volk mit roten Perücken , silbernen Kostümen mit überdimensionierten Hüften und Pobacken. Wie im schlechten Kabarett wird seine Dichterei am Madrigal. Immer wieder wackelt der Chor zu seinen Einsätzen und deckt so die Schwächen im Libretto auf, das zahlreiche Überarbeitungen erlebte. Im Gegensatz dazu flattert modern mit Hoodies eine Jugendgruppe dazu und kommt als Bogenschützen wieder. Schräg mit wiederum roten Perücken erscheinen auch die Vertreter der Kirche in ihren dunkelroten samtenen Talaren. 

Die Romanvorlage von Abbe Prevost will keine moralische Lehre ziehen oder Gesellschaftskritik üben, vielmehr behandelt er die Suche nach Glück und Erfüllung. So wird auch die Gesellschaft marginalisiert, im Mittelpunkt stehen klar die zwischen Liebe und Materialismus zerrissene Manon und der von Liebe durchtränkte Des Grieux, der von seiner untreuen Geliebten nicht lassen kann und mit in das Verderben gerissen wird.

Hans Neuenfels spart nicht mit persönlichen Kommentaren zu diesem Werk und seiner Inszenierung, die er groß auf die geschlossenen Vorhänge projeziert.

Diese intensive Charakterzeichnung versuchen Elena Stikhina und Joshua Guerrero umzusetzen. Sie dreht als selbstbewusste verwöhnte und aufreizende Manon mit langer Mähne auf. Ihre leidvolle Entscheidung zwischen Gefühl und Gier wirkt glaubwürdig. Stimmlich zeigt sie sich in bester Verfassung, lässt fassettenreich ihren Sopran in allen Lagen schimmern, bringt Volumen ohne Wucht, bleibt frisch und klar in der Farbe. Der Amerikaner verführt ebenso mit lässiger glatter Mähne, ganz den Latino spielend, berührt mit seiner Hingebung wie demütigenden Bitte um Erbarmen. Seine verzweifelte Hilflosigkeit setzt er stimmlich im Schlussakt überzeugend um. Zu Beginn findet er keinen Raum gegenüber dem Orchester und seine Gesang kommt zu sehr gedrückt, die hohen Töne werden angeschliffen.

Auch Boris Pinkasovich steigert sich und beeindruckt als präsenter Bruder und Freund der beiden. Mit Martin Snell ist der gehörnte Ehemann Geronte routiniert besetzt. Evan LeRoy Johnson als Edmondo bleibt farblos und stimmlich vom Orchester zugedeckt.

Im Graben projiziert Carlo Rizzi viel epische Farbe und Gefühle, drückt auf das Tempo und fordert die Sänger auf der Bühne. Der Gesamtklang wirkt berauschend und entspricht der von Puccini eingeforderten Dramatik und Theatralik. Das Orchester spielt mit viel Leidenschaft und Präzision. Gut in den Instrumenten abgestimmt können viele Details der Partitur herausgearbeitet und zum Klingen gebracht werden. So ist auch gut die auf die Musik abgestimmte Personenregie erkennbar.

Großer Beifall vom Publikum.

Dr. Helmut Pitsch

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