Nevill Holt Opera ein Gesamtkunstwerk für die Oper

Xl_cosi_fan_tutte_-_photo_courtesy_-_ellie_kurttz__6_ © Ellie Kurttz

Nevill Holt ist ein privates Anwesen wie ein kleines mittelalterliches Dorf mit Kirche, Teich, ausgedehntem Landhaus und kleinen Ziegelhäusern. Zeitgenössische Skulpturen stehen auf dem bestens gepflegten Rasen und schmücken die ohnehin atemberaubende Aussicht von der Anhöhe. Mit Leidenschaft angelegte Blumen- und Gemüsegärten runden das Pausenprogramm ab. Osmanisch angehauchte Zelte sind verstreut aufgestellt, um die Besucher des Opernfestivals kulinarisch zu verwöhnen, soweit sie nicht selbst zum Picknick ausgerüstet sind. In einer victorianischen gemauerten Scheune wurde vor zwei Jahren ein preisgekröntes Opernhaus für rund 400 Gäste eingebaut. Eine schlichte Holzkonstruktion, ein tiefer, weit unter der Bühne geführter Orchestergraben und eine einfache Bühne ohne technische Mittel. Wie immer bei den privaten englischen Festspielen wird der Besucher freundlichst begrüßt und herumgeführt und so mit der Umgebung vertraut gemacht. Seit zwölf Jahren richten der Dirigent und künstlerische Leiter Nicolas Chalmers und die Kulturmanagerin Rosanna East dieses Festival für die David Ross Foundation, der Eigentümerin des Landsitzes aus. Mozarts Opern gehören auch hier zu einem festen Bestandteil des Programms. Dieses Jahr wird die gefeierte Inszenierung von Adele Thomas gezeigt, vom Opernhaus Linbury in Nordirland übernommen.

Sie siedelt die Parabel über die Treue junger Liebender in den ausschweifenden wilden zwanziger Jahren an. Die Stummfilmzeit steht für die Gestaltung und hyperaktive Personenregie Pate. Kostüme, Lichtregie und Aufbau erinnern an ein Kabarett mit Don Alfonso als Conférencier. So entstehen zwei Ebenen auf der Bühne, vor und hinter dem Vorhang. Ein langer Tisch, rosa Luftballons und eine Jugendstil Stehlampe hinter dem Vorhang, ein Fauteuil und Bartisch stehen vor dem Vorhang. Geschickt werden die zwei Bühnen im raschen Ablauf der Szenen miteinander verknüpft und mit regem Treiben bespielt. Britischer Humor mit dezenten Sketches und vielsagenden Andeutungen ist allgegenwärtig. Das Komödienhafte überwiegt ohne zum Klamauk zu werden, aber die tiefere menschliche Aussage und Gesellschaftskritik Mozarts kommt nicht hervor.

Hausherr Nicolas Chalmers führt selbst den Stab und gestaltet mit dem Royal Northern Sinfonia Orchester einen frischen, leichten Mozart. Er lässt alle Stimmen im Orchester gleichwertig aufspielen und untermalt zusätzlich bildhaft musikalisch die Handlung, auch wenn Mozart sicherlich keine Filmmusik geschrieben hat, begleitet sie dennoch gefühlsgeladen die Wirren und Irrungen der jungen Verliebten. Selbstbewusst lässt der junge Dirigent die sprühenden Melodien fliessen, auch Gefühlsausbrüche im kräftigen Forte gehören dazu und schaden nicht.

Stimmlich sind die sechs Protagonisten bestens mit jungen Sängern besetzt. Alexandra Lowe ist eine lyrische Fiordiligi, deren Stimme gut in das kleine Opernhaus passt und keine füllenden Höhen verlangt. Katie Coventrys Mezzo hat diese Fülle und dunkle Färbung, die der Rolle Ausdruck verleiht und ihre jugendliche Färbung rundet das Bild der Dorabella ab. Nick Pritchard ist kein typischer lyrischer Mozarttenor aber sicher und sehr präsent als Guglielmo. Martin Hässler gestaltet Ferrando mit frischem leichten Bariton, der über alle Lagen fest und frei ist. Alles führend und beobachtend ist Carolina Lippo als freche kokette Despina. Herrlich ihre kernige freche Stimme, die flexibel in die verschiedenen Rollen schlüpft und in den Seelen der Damen bohrt. John Molloy ist ein routinierter voller Bariton der klar und deutlich die Handlung vorgibt. So gewinnt die lockere frische Aufführung die Herzen der Zuhörer und Zuschauer und wird mit viel Applaus bedacht.

Dr. Helmut Pitsch

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