Richard Strauss Salome Festival d‘Aix en Provence 12.7.2022
Nur der Mond ist Zeuge Packende Salome in Aix
Der Stoff ist herausfordernd, die Zensur verbot die Uraufführung im preußischen Berlin, auch in Wien konnte Hofoperndirektor Gustav Mahler keine Erstaufführung durchsetzen. Die biblische Geschichte am Hof des Herodes, dessen Stieftochter Salome seine obszönen Begehren mit dem berühmten Schleiertanz stillen soll und dafür kindliche Rache für die verweigerte Liebe Johannes des Täufers nimmt, löste als Bühnenstück von Oscar Wilde heftige gesellschaftliche Reaktionen aus.
Die Regisseurin Andrea Breth sieht in ihrer Salome nur die junge Frau, die als sechzenjährige die romantische Liebe entdeckt. Die Bilder, die sie mit ihrem Team auf die Bühne bringt erinnern an Caspar David Friedrich. Wie ein Gemälde wandert zu Beginn ein eingerahmter Schaukasten mit Naraboth und dem Pagen auf einem Felsen stehend, über die Bühne. Der Vollmond leuchtet über allem. Salome erwacht in ihrem Bett auf der leeren dunklen, weich ausgeleuchteten Bühne und wird von der Stimme Jochanaans angezogen. Als sein Verliess öffnet sich der Bühnenboden wie ein Grab aus Steinplatten. Salome steigt zu ihm hinab. Nur ihre Oberkörper ragen aus dem schmalen Loch heraus, in das auch noch der sterbende Naraboth gleitet.
Wie ein Deja vue rollt das Gelage am Hof des Herodes als breiter Guckkasten ohne Tiefe hell ausgeleuchtet, von der Seite auf die Bühne. Die Parallelität zum letzten Abendmahl kommt sofort in den Sinn des Betrachters. Nur die Handlung und Handelnde sind andere. Herodes thront in der Mitte, Salome kauert abseits am Boden. Herodias ist mit einem jugendlichen Gast zu Gange. Wirkungsvoll thront der Kopf des Jochanaan auf einer Silberplatte bereits auf dem Tisch und ist so vom Kerker zugeschaltet.
Salomes Tanz ist eine kühle Begegnung des jungen Mädchens mit den Männern am Hof des Herodes, die ihre Begehren zum Ausdruck bringen. Drastisch schreckt das letzte Bild. Wieder ein hell ausgeleuchteter Guckkasten, Salome im weiss gekachelten Schlachthaus, Neonröhren geben kaltes Licht, eine weisse Plastikschüssel ist mit Blut und dem Kopf des Jochanaan gefüllt. Schwarz weiß sind auch die zeitlosen Kostüme. Farbe und Kraft, Emotionen und Gefühle strömen aus dem Orchestergraben.
Ingo Metzmacher am Pult des Orchestre de Paris malt mit voller Farbpallette die subtilen Bilder der Partitur mit feinen aber auch dicken Pinselstrich in eine durchdringende Klangwelt. Transparenz und tänzerische Lässigkeit ist genauso dabei wie romantische Gefühlswelt und dramatische Wucht. Omnipräsent bindet er jeden Musiker feinfühlig ein, ebenso das erlesene Sängerensemble.
Elsa Dreisig war bereits Mitglied der Academie des Festivals und kehrt als herausragende Interpretin der Titelrolle zurück. Jugendlich frisch und leicht ist ihr Sopran. Mit feiner Technik meistert sie die Anforderungen der Partie. Ohne Mühen und Schärfe überstrahlt sie das große Orchester. Voll und liedhaft bleibt sie bis zum Schluss überzeugend. Dazu kommt Ihr schauspielererisches Talent und ihre Bühnenpräsenz. Der Bassbariton Gabor Bretz fügt sich mit weicher satter Stimme und jugendlicher Erscheinung bestens in die Inszenierung. Die erotische Begegnung mit der Prinzessin wird zum Ereignis. John Daszak ist ein dominanter überzeugender Herodes, der mit seiner eleganten kräftigen Stimme einen wahren Herrscher abgibt. Angela Denoke war viele Jahre eine gefeierte Salome und kann jetzt als ihre Mutter Herodias daran anknüpfen. Unverändert ist ihre Bühnenpräsenz und volle Stimmkraft ohne Schrille und Giftigkeit. Joel Prieto erfreut mit einem lyrischen leichten Tenor.
Grosse Begeisterung im ausverkauften Opernhaus der Provence.
Dr. Helmut Pitsch
© Bernd Uhlig
16. Juli 2022 | Drucken
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