Opera Incognita München bringt "Das Liebesverbot" charmant modern in Erinnerung

Xl_liebesverbot © Aylin Kalp

Richard Wagner Das Liebesverbot - Opera Incognita - Sugar Mountain Premiere am 17.10.2021

 

William Shakespeare lieferte mit seinem Bühnenstück "Maß für Maß" die literarische Vorlage. Die übermäßige Ausübung von herrschaftlicher Gewalt und die Bereitschaft sich für die Liebe zu opfern und der politische Widerstand des Volkes stehen im Zentrum der Handlung, der Romantik entsprechend. Der deutsche Friedrich herrscht als Vertreter des Königs erbarmungslos über Palermo. Claudio soll für seine Liebe hingerichtet werden. Durch eine mutige List wird er von seiner Schwester Isabella gerettet. Sie verführt Friedrich, verleitet ihn seine Gesetze zubrechen und führt ihm unerkannt seine verlassene Ehefrau Mariana zu.

Das Liebesverbot ist Richard Wagners zweite Oper. Sie entstand rasch 1834/1835, während Richard Wagners Liebe zu Minna Planer entflammte und es 1836 auch zur Hochzeit kam. Das Werk wurde in Magdeburg 1836 unter seiner Leitung uraufgeführt, schaffte es aber nie auf die Spielpläne der Opernhäuser. Er selbst schätzte seine drei frühen Opern - Die Fern, Liebesverbot und Rienzi - gering ein und verbot die Aufführung in seinem Festspielhaus in Bayreuth.

Nun führt Opera Incognita, eine in München ansässige freie Operngesellschaft dieses Frühwerk des großen deutschen Opernkomponisten auf. Dahinter steckt die langjährige sehr erfolgreiche Zusammenarbeit von Andreas Wiedermann als Regisseur und Ernst Bartmann als Dirigent und musikalischer Leiter. Ungewöhnliche Aufführungsorte, ideenreiche Umsetzung und hohes musikalisches Niveau stehen für deren Projekte.

Diesmal dient ein stillgelegtes Betonwerk in München als Spielort. Diese große Halle stellt hohe Anforderungen an alle Beteiligten. Etwas abgesetzt sitzt das Orchester am linken Bühnenrand. Die Zuschauer sitzen ebenfalls mit Abstand zur zentralen großen Bühne. Diese ist von mehreren Seiten über Stege von den Sängern und Sängerinnen zu erreichen. Ein Tisch und ein paar Sessel sind die spärlichen Requisiten . Ein Netz ist am rechten Rand drapiert. Neonröhren spenden gleissendes Licht. Effektvoll und bunt sind die Kostüme von Aylin Kalp, besonders die Verkleidungen in Schlussbild des verbotenen Karnevals . Wiederum gestaltet Andreas Wiedermann einen schlüssigen durchdachten Erzählstil der komplexen Handlung mit mehreren Strängen. Trotz der Distanz kommt es zu spannenden Momenten und einem ruhigen Fluss ohne Umbaupausen oder Längen. Die Szenen des aufgebrachten Volkes verteilt er geschickt im großen Raum. Humorvolle Anspielungen auf aktuelle Bezüge wie Fridays for Future oder Me Too lockern ebenso auf.

Ernst Bartmann gelingt mit dem kleinbesetzten Kammerorchester eine gehaltvolle Deutung. Musikalisch ist das Frühwerk dem italienischen Belcanto eines Bellini nahe. Aber es gibt kräftige Impulse des romantischen späteren Wagner. Beeindruckend ist der Einbezug und die Führung der Sänger und des Chores durch den Dirigenten ohne Sichtkontakt im großen Bühnenraum.

Der Brasilianer Robson Bueno Tavares gestaltet die Rolle des unerbittlichen strengen Herrscher von Palermo, des deutschen Friedrich. Aüsserlich wie innerlich erfüllt er aber die Rolle des heissblütigen Latino und sein warm unterlegter Bariton kann mächtig befehlen, wie sich auch schmerzvoll verzehren. Florian Dengler ist sein Adlatus Brighella, der stramm dessen Befehle ausführt, aber auch der Liebe etwas hölzern verfällt. Der Armenier Karo Khachatryan kämpft als Luzio gegen das und den Bösen. Sein Tenor ist schmal und klamm in der Höhe. Rodrigo Trosino ist der Verurteilte Claudio, der durch den Mut und die List seiner Schwester Isabella gerettet wird. Ekaterina Isachenko fült diese Rolle voll aus. Ihr Sopran zeigt lyrische wie dramatische Momente mit klarer und sicherer Intonation. Lyriel Benameur hilft als verlassene Mariana die List Isabellas durchzuführen. Auch ihr Sopran hat Farbe und helle Kraft. Larissa Angelini als Kammermädchen Dorella erweckt die heftige Liebesgefühle Brighellas und leidet selbst am Liebeskummer zu Lucio.

Die Irrungen und Verwirrungen lösen sich harmonisch mitreißend auf. Das Publikum spendet kräftig Beifall und fühlt sich in der außergewöhnlichen Location sichtlich wohl.

 

Dr. Helmut Pitsch

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