Richard Wagner - Tannhäuser - Opernfestspiele München 11.7.2021
Bildgewaltig ist die Umsetzung von Romeo Castellucci, die in der Vielgestaltigkeit der Ideen in ihrer Schüssigkeit und so an Spannung verliert. Er spielt mit Symbolen allen voran dem Pfeil, der den ganzen Abend strahlt. Hängt hier die Erbsünde und fehlende Erlösung über dem Menschenschicksal. Rerligiosität und Relgion hat in der Interpretation viel Platz eingenommen. Die Protagonisten wirken in den talarartigen Kostümen von Cindy Van Acker wie Mitglieder einer religiösen Sekte. Die schmalen langsamen mitunter anmutigen Gesten gleichen rituellen Handlungen. Barbusige Amazonen schiessen mit Pfeil und Bogen zur Ouvertüre auf ein Auge, das sich zum Ohr verwandelt. Venus aalt sich auf einem fleischfarbenen klebrigen Lattexberg während Tannhäuser sich von der glitschigen Masse zu trennen sucht. Lange wehende sich in Ringen drehende weiße transparente Vorhänge bilden die heiligen Hallen. Zuschauer und Streiter im Sängerwettstreit müssen sich zu Boden legen, nachdem sie vorher ihre Schuhe ausgezogen haben.
Skurril mutet das letzte Bild an, zu dem der Betrachter die Verwesung der Leichname von Tannhäuser und Elisabeth auf deren Grabsteinen verfolgen kann, bis am Ende die Beiden ihre Asche sebst auf einem Tablett zusammen leeren und sich so vereinen. Die Bilder sind allesamt ästetisch konzipiert, hell ausgeleuchtet und auch nicht überladen.
Klaus und Lise steht auf den Grabsteinen für die beiden Sänger. Klaus Florian Vogt besticht wiederum in der Titelpartie. Sein glockengleicher jugendlich und frisch anmutender Tenor hat an Fülle und Boden gewonnen. Die Tiefe ist dunkel aber präzise. Seine Romerzählung wirkt so dramatischer und packender, auch wirken die Nuancen klarer. Lise Davidsen begeistert mit ihrer kräftigen wohl intonierten breit angelegten Stimme. Ohne Mühen geht sie mit der Lautstärke flexibel um und ist immer wortverständlich. Die junge Norwegerin wird zu recht als große neue Wagnerstimme gehandelt. Bayreuth hat sie bereits in dieser Rolle erobert. Mit ihrer großen attraktiven Erscheinung meldet sie sich für viele weitere Rollen in ihrem Fach an.
Simon Keenlyside ist kurzfristig für Christian Gerhaher als Wolfram von Eschenbach eingesprungen. Er verleiht der Rolle seine eigene, im Spiel intensive Prägung. Seine Anbetung des Abendstern wird so zu einem weiteren Höhepunkt des Abends. Sein Bariton ist geschmeidig in der Melodieführung mit vollem weichem Timbre. Er kann Farben und diese färben.
Mächtig und herrschaftlich ist der Bass von Georg Zeppenfeld als Landgraf Herrmann. Sonor und voll ist seine Tiefe in klarer Intonation. Elena Pankratova hat die Venus bereits in der Premiere der Neuinszenierung gesungen. Streitbar nimmt sie es gelassen in der abstoßenden Gestaltung ihres Auftrittes und lenkt die Aufmerksamkeit auf ihren Gesang, der wohlausgeglichene Dramatik und saubere Melodie und Tonsprünge hörbar macht.
Die Durchschlagskraft des bestens von Stellario Fagone einstudierten Chores ist durch mangelnde Zeichen des Dirigenten beeinträchtigt. Asher Fisch geht intensiv auf die Orchestermusiker ein, die er zu einer Höchstleistung animiert. Hier wird auf höchstem Niveau gespielt. Kraft- und schwungvoll ist das Zusammenspiel. Imposante Tutti fließen ohne zu übersteuern, feine Piani berühren. Er achtet darauf den Sängern Luft zu geben und nicht zuzudecken, zuwenig hält er aber Blickkontakt mit der Bühne und zeigt Einsätze an. Hier verliert die musikalische Deutung Glanz.
Das Publikum bedankt sich herzlich mit großem Appl und feiert seine Lieblinge mit Trommelwirbel und lautstarken Bravi.
Dr. Helmut Pitsch
12. Juli 2021 | Drucken
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