Joseph Haydn L‘Infedelta delusa - Opernstudio der Bayerischen Staatsoper 29.3,2022
Opernstudio München verpackt Haydn in flache Plattitüden und zu vielen Ideen
L'Infedelta delusa - die vereitelte Untreue ist eine burletta musica, eine musikalische Burlesque, die Joseph Haydn zur Unterhaltung am Hof der Esterhazy 1773 komponierte. Im Original geht es um die Liebe des mittellosen Bauern Nanni und Sandrina, der Tochter Filippos, der diese mit dem vermögenden Bauern Nuncio verehrlichen will. Dieser ist bereit für diese Ehe seine Geliebte Vespina zu verlassen. Nach einigen Ränken finden die beiden Liebespaare unter der findigen List von Vespina zusammen.
Das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper greift nun diese selten gespielte Oper für deren diesjährige Produktion auf. Unter der Regie von Marie Eve Signeyrole entsteht eine adaptierte zeitgemäße Handlung in einer technisch mit Videoübertragungen überfrachteten Darstellung. Angelegt als ein cinematographisches Tagebuch erlebt der Betrachter die Geschichte der verbotenen Liebe zweier Schülerinnen in einem Mädchenpensionat als Rückblende. Hierzu hängt eine Leinwand über der Bühne als Projektionsfläche. Zur Ouvertüre führt die Kamera in das aufgelassene Heim, begleitet von Auszügen aus dem Tagebuch einer Schülerin. Der Text führt zurück auf die Ereignisse im Juli 1955, welche auf der Bühne zum Leben erweckt werden. Im Schlafsaal des Internats lernt der Zuschauer die Schülerinnen und deren strenge Wärterin kennen. Geschickt ist das Ambiente mit wenigen Mitteln von Fabien Teigne realistisch dargestellt. Metallbettgestelle, ein Türrahmen, Fensterrahmen von der Decke heruntergelassen wirken authentisch. Seine Kostüme sind schlicht konventonell. Die sechs Protagonisten werden von sechs Statisten ergänzt, die eifrig als Schülerinnen und deren Aufpasserin zum Einsatz kommen. Woher die Notwendigkeit eines lesbischen Liebespaares in dieser Oper geboren ist, bleibt trotz der ideenreichen Inszenierung verborgen und führt zu einer unschlüssigen Erzählungen in der mühsam gegendert wird und der Ablauf in der Logik stockt. Zumeist befinden wir uns im Schlafsaal zu dem alle Protagonisten unentwegt Zugang haben. Dank der vorbildlichen Spielfreude aller Beteiligten ist der Unterhaltungswert der einfach klassischen Handlung groß. Eine Schülerin filmt laufend mit, das turbulente Geschehen auf der Bühne wird in der Projektion in unterschiedlichen Einstellungen gepaart und mit Rückblicken und Texten ergänzt. Eine Konzentrationsübung für den Betrachter aber der Abend wird kurzweilig.
Musikalisch steht das zweiteilige Werk in der Tradition der barocken Oper mit Rezitativen und Arien. Die Ouvertüre und ein paar Zwischenspiele lassen den Symphoniker Haydn durchklingen. Peter Tomek am Pult eines Kammerorchester aus Mitgliedern des Bayerischen Staatsorchester lässt die Musik lebendig frisch und abwechslungsreich erklingen. Den jungen Sängern öffnet er gestalterischen Raum aber auch sichere Unterstützung.
Überzeugend ist die Leistung der Mitglieder des Opernstudios, die dessen hohes Niveau und Qualität unter Beweis stellt. Jasmin Delfs schlüpft in die Rolle der listigen Vespina, die in Verkleidungen ihre stimmliche Flexibilität zeigt. Ihr Sopran hat Spannkraft und Breite. Die Farbigkeit und emotionale Ausprägung des Soprans von Jessica Niles werden in den Arien Sandrinas zu den Höhepunkten des Abends. Emily Sierra hat die schwere Aufgabe der gegenderten Rolle des Nanni ein klares Bild zu vermitteln und sich von den anderen Sopranstimmen abzuheben. Hier hat auch die Regisseurin wenig Phantasie gezeigt, zumal sich ständig liebkosende Frauen heutzutage nicht wirklich als Provokation auf der Bühne empfunden werden. Joel Williams erfreut als junger Tenor mit Charakterstimme, Timbre und weicher Melodieführung. Spielerisch zeigt der junge Amerikaner eine unbekümmerte sicher lockere Präsenz. Armando Elizondo bleibt farblos in seiner Darstellung des despotischen Vaters Filippo, der auch zu plumpen Gewaltandrohungen verdonnert ist. Die Rolle des Vaters von Nuncio wurde für diese Adaption des Opernstoffes hinzugefügt. Viel hat Andrew Gilstrap nicht zu singen und der Zweck oder Sinn dieser Rolle bleibt offen.
Das Publikum feiert den Sängernachwuchs und die Musiker kräftig mit lautem Applaus.
Dr. Helmut Pitsch
30. März 2022 | Drucken
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