Krzysztof Penderecki Die Teufel von Loudun Bayerische Staatsoper 7.Juli 2022
Nichts für schwache Nerven
Die Handlung ist bizarr bis gewaltig, aber basiert auf einer wahren Begebenheit im Jahr 1634. Eine Nonne versteigt sich in eine obszöne Liebe zu einem Priester, den sie nie persönlich getroffen hat. Sie klagt ihn exstatisch teuflischer Taten an und fühlt sich selbst vom Satan beseelt. Der gesamte katholische Ritus von orgiastIscher Besessenheit, Exorzismus, Folterung und Hinrichtung des Priesters Grandier wird anschaulich ausgekostet.
Krzysztof Penderecki hat das Libretto seiner ersten Oper Die Teufel von Loudon selbst verfasst, griff aber auf eine Vorlage von Aldous Huxley bzw dessen deutsche Übersetzung von Erich Fried zu. Simon Stone wurde mit der Regie dieser Neuinszenierung der 1969 in Hamburg uraufgeführten Oper beauftragt. Er bietet faszinierend drastisch beklemmende Bilder überragt von einer ausgeklügelten, fein ausgearbeiteten Personenführung. Gefasst ist das ganze in einem monumentalem sterilen Bühnenbild von Bob Cousins, einem grauen Betonquader der in der Drehung immer neue Raumeinblicke gewährt. Eine kleine Kapelle, ein Stiegenhaus, den Altarraum einer Kirche, eine Klosterzelle, bzw Gefängnis oder Folterzelle und finales Krematorium.
Spannend unter Hochspannung baut sich die Tragödie wie ein Film auf. Dramatisch bis abstossend sind einzelne Szenen der beseessenen nackten Ordensschwestern denen der Teufel mit einem Schlauch wahrlich aus dem Inneren gespült werden soll. Die Gewalt, die Menschen an ihren Mitmenschen ausführen ist beklemmend aber tragische Realität wie wir gerade jetzt in der Ukraine erleben und auch in der bayerischen Staatsoper vor Augen geführt bekommen. Zwei harte Stunden für den Zuschauer die in ihrer Qualität diesen nicht loslassen und nachwirken.
Genial ist die Verschmelzung der Musik mit den Szenen oder besser gesagt ungekehrt. Penderecki ist einer der prägendsten und bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er steckt in der Tradition insbesondere der Kirchenmusik verhaftet und findet seinen Stil als deren Erneuerer in der Moderne. GMD Vladimir Jurowski arbeitet die Intensität der breit aufgefächerten Klangwelt des Polen am Pult des bayerischen Staatsorchesters aus. Mit stoischer Ruhe und Akribie führt er Musiker und Sänger. Rau sind die Akkorde aneinander gereiht, neuartig bis unnatürlich die Tongebäude. Clusterhaft reiht er expressiv die Blöcke aneinander. Immer wieder dringen Harmonien oder Melodien durch. Die Musik setzt auf die brutale optische Komponente eine durchdringende Steigerung der Gefühle bis zum Schmerzempfinden darauf.
Großartig ist die Leistung der Sänger,die den Abend so zum Ereignis machen. Wie tollwütig agieren die besessenen Schwestern allen voran Ausrine Stundyte als die unheilbringende Priorin Jeanne. Voller Körpereinsatz ist gefordert dazu sind die mitunter eratischen Tonkapriolen zu meistern. Wolfgang Koch verkörpert das unschuldige Objekt der Begierde und Opfer der Verleumdungen mit martyrerischer Standhafftigkeit. Nach seiner Corona Infektion scheint er bereits wieder in guter Form und überzeugt beeindruckend im Spiel und der Flexibilität und Sensibilität seiner Stimmführung. Martin Winkler ist ein richtig fieser Vater Barre, der unter der Soutane sein böses Spiel als Vikar treibt und auch kräftig selbst in der Folterung mitmischt. Seine obszöne Scheinheiligkeit ist wunderbar ausgearbeitet. Die Rolle des Baron de Laubardemont als herzloser Kommissar des Königs ist bei Wolfgang Ablinger Sperrhacke gut verankert.
Lang ist der Besetzungszettel, noch länger die Reihung der Verbeugungen beim kräftigen Schlussapplaus und veranschaulichen so die Mammutaufgabe und den immensen Aufwand, dieses Werk auf die Bühne zu bringen. Der bayerischen Staatsoper ist zu danken, sich dieser Aufgabe so eindrucksvoll gestellt zu haben und dieses Werk wieder zur Aufführung gebracht zu haben. Zwei von vier Abenden der Aufführungsserie zu den Münchner Opernfestspielen mussten leider corona bedingt abgesagt werden.
Dr. Helmut Pitsch
08. Juli 2022 | Drucken
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