Ein neues künstlerisches Programmkonzept des Richard Strauss Festivals schliesst auch neue Aufführungsorte mit ein. Um auch neue Zuschauer anzusprechen, wird der Eventcharakter miteinbezogen und hierbei auch vor Open Air Konzerten nicht halt gemacht. Die Kulisse im grossen Innenhof des barocken Klosterbaus in Ettal besticht durch seine Geometrie und harmonische Abgeschlossenheit, der zentrale Eingang zur majestätischen Basilika ist von Heiligenstatuen und Säulen geprägt und dienen immer wieder als Blickfang neben der überdachten Bühne für das Orchester. Die Abendsonne taucht die weiss gelbe Fassade in kräftige Farben. Die Vögel stimmen die Besucher aufgeregt musikalisch ein. Neben den Zuschauerreihen nutzen auch einige der tausend Konzertbesucher die freien Rasenflächen für ein begleitendes Picknick. Dem Wettergott sei dank. Auf 1000m Seehöhe werden Konzertveranstaltungen im Freien zu einem besonderen Risiko, wenn auch mit der grossen Olympia Eissporthalle in Garmisch ein adäquates Ausweichquartier zur Verfügung steht. Aber an diesem Abend passt die angepeilte Naturstimmung mit der Programmauswahl zusammen. Das Philharmonie Orchester Brünn ist eingeladen die beiden Open Air Konzertabende zu bestreiten. In Brünn hat auch Richard Strauss dirigiert und seine Werke wurden mit Erfolg sehr früh dort aufgeführt. Der böhmische Komponist Leos Janacek war auch mit der Stadt in Mähren eng verbunden und die Geburt des Nationalismus im ausgehenden 19. Jahrhundert, hatte in ihm ein Idol für die tschechische Bevölkerung in der österreich- ungarischen Monarchie. Seine Musik enthält viele Element der böhmischen Volksmusik. Die Sinfonietta gehört zu seinen wichtigsten symphonischen Werken und besticht mit Wuchtigkeit und raffinierter Eleganz. Das Orchester wird in den Bläsern verstärkt, welche mit ihren mächtigen Fanfarenklängen passend das Konzert eröffnen und zu Ruhe und Aufmerksamkeit rufen. Schnell entwickelt sich ein Dialog in den Orchestergruppen, verschiedene Solisten stellen neue Themen und Rhythmen vor. Bildhaft taucht der Komponist seine Heimat in romantische Melodien. Das Philharmonie Orchester Brünn ist in grosser Besetzung angereist und besticht mit Präzision und Spielfreude. Die Bläser setzen sicher und wohl intoniert ein, schmettern im Forte vollmundig die Töne und nehmen siegreich den grossen Innenhof vom Kloster Ettal ein. Weich legt sich der böhmische Streicherklang darunter und bildet ein sicheres Fundament für alle Instrumentengruppen. Nach der Pause ist das Orchesterpodium voll besetzt und weitere Instrumente haben Platz gefunden. Richard Strauss Monumentalwerk die Alpensymphonie folgt in erlebbarer Echtheit vor der umgebenden Bergkulisse. Eine Wanderung in Jugendjahren des Komponisten hat ihn für diese Komposition inspiriert, mehr eine symphonische Dichtung oder Bildbeschreibung als mehrsätzige Symphonie. Klar sind die Naturstimmungen und Erlebnisse des Wanderers symphonisch ausgestattet und für den Hörer nachvollziehbar. Im Morgengrauen brechen wir auf, bedächtig starten wir im Frühtau, die Glieder lösen sich und mit der ersten Sonne steigt spürbar die Lust und Freude und im Sonnenlicht erklimmen wir munteren Schrittes die Almwiesen und Berggipfel, bevor ein Unwetter uns zum Abstieg drängt. Meisterhaft zeichnet das Orchester unter Antonello Manaconda die fühlbaren Bilder. Stramm und im angeregten Tempo wird zusammen marschiert und aufgeweckt die Laute und Farben der alpinen Umwelt aufgenommen und wiedergegeben. Die Kühe weiden, die Sonne blendet und gibt Energie, stürmisch nähern sich die Wolken, lautstark entledigt sich das Gewitter. Die Musiker haben alle Hände voll zu tun und musizieren angeregt. Ihr Dirigent haltet Spannung muntert zu dosierten oder abrupten Volumenwechsel, versucht noch die letzte Kleinigkeit erkennbar herauszukitzeln. Zufrieden und ausgeglichen bricht die Abenddämmerung ein und wie im nichts löst sich die Musik sphärisch auf und der Nachhall im Klosterhof versetzt die Mitwanderer in meditative Stille bevor begeisterter Jubel ausbricht. Dieser Versuch der Richard Strauss Festspiele hat geklappt und für nächstes Jahr wird eine Wiederkehr in den Klosterhof versprochen.
Helmut Pitsch
09. Juli 2018 | Drucken
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