SANTA CRUZ DE TENERIFE: RUSALKA - Premiere und 2. Reprise am 5. und 9. März 2024
Unkonventionelles story telling
Anfang März kam die Ópera de Tenerife im Auditorio Adán Martín der Hauptstadt Santa Cruz mit einer sehr sehenswerten und szenisch ungewöhnlichen, aber äußerst geglückten Neuinszenierung von Antonín Dvořáks„Rusalka“ heraus. Regie führte der brasilianische Regisseur André Heller-Lopes aus Rio de Janeiro, der schon lange durch phantasievolle Interpretationen auffällt. Er bleibt immer am Stück, verändert es dramaturgisch hier und da leicht durch einen gewissen Twist, dessen Sinnhaftigkeit er stets nachvollziehbar einzulösen weiß. Ich erinnere mich an eine beeindruckende „Tosca“ in Salzburg im Haus für Mozart unter der musikalischen Leitung von Leo Hussain vor vielen Jahren und neben manchen anderen Inszenierungen in Brasilien, wie einer exzellenten „Walküre“ in São Paulo, auch an seine „Anna Bolena“ im vergangenen Mai beim 25. Amazonas Festival de Ópera – FAO in Manaus.
Heller-Lopes hat die Akte der „Rusalka“ thematisch etwas umgekehrt. Die beiden Randakte sind bei ihm gewissermaßen die Realität, und der Mittelakt ist das Märchen um den Niedergang Rusalkas. So sehen wir im 1. und 2. Akt ein Symphonieorchester, welches offenbar ein Konzert vorbereitet. Rusalka löst sich daraus und hat ihre Dialoge mit dem Wassermann und Prinzen immer mit optischen Assoziationen wogenden Wassers. Im 3. Akt ist diese vormals reine Welt durch eine versunkene graue Unterwasserwelt mit Schiffswracks bebildert. Aber am Schluss, nachdem Rusalka den Prinzen in einen von ihm selbst gewünschten Tod in Liebe metaphorisch erlöst hat, kommt das Orchester noch zu seiner Aufführung unter dem Dirigat der Jezibaba…
Im Mittelakt kommt es in einem prunkvollen und märchenhaften Palast zum Showdown zwischen der fremden Fürstin und Rusalka, aus dem der Prinz als klarer Verlierer hervorgeht.
Die ebenso geschmack- wie prachtvollen Kostüme wurden von Marcelo Marques entworfen. Hellers kongenialer Bühnenbildner war wieder Renato Theobaldo. Und das ausgezeichnete und Stimmungen verstärkende Lichtdesign kam von Gonzalo Córdova.
Die junge Baskin Vanessa Goikoetxea sang in der Premiere eine emotional mitreißende Rusalka, mit einem herrlich aufblühenden Sopran sowie äußerst gefühlvoller Darstellung und Mimik. So passte sie auch sehr gut zu dem jungen Prinzen aus Mexiko, Rodrigo Porras. Er verfügt über ein kraftvolles Spinto-Timbre und gestaltet die Rolle auch sehr überzeugend. Einige Spitzentöne waren noch nicht ganz da, wo sie hin sollten, aber das wird der talentierte und sehr motivierte Sänger, der vor kurzem den Calaf an der Staatsoper Hamburg mit Catherine Foster gesungen hat, sicher bald meistern. Ángeles Blanca, die die Rusalka in der 1. und 2. Reprise sang, kam nicht an die Leistung und Überzeugungskraft von Goikoetxea heran. Bei einer durchaus guten Mittellage gerieten hier die Spitzentzöne doch zu schrill und aufgesetzt. Darstellerisch machte sie ihre Sache gut, wirkte aber für den Prinzen schon etwas zu alt.
Magdalena Anna Hofmann, u.a. Isolde und Brünnhilde in Nordeuropa, war eine Luxusbesetzung für die fremde Fürstin und feuerte ihre Sopransalven hochdramatisch in das sehr gut besuchte Auditorio ab (Kapazität über 1.300 Plätze), in dem an beiden Abenden auch sehr viele junge Besucher saßen. Sie dominierte als starke Persönlichkeit im feuerroten Abendkleid klar den Mittelakt. Ein Anker der Wärme und Menschlichkeit und natürlich Hinwendung zu Rusalka war Vazgen Gazaryan als Wassermann im Frack mit grünem Hut. Ein klangvoller Bass mit guter Intonation und viel Wärme in der Stimme. Die aus Gabun stammende und in Frankreich lebende Adriana Bignagni Lesca sang die Jezibaba mit einem charaktervollen Mezzo und akzentuiertem Spiel. Die drei Nymphen, Julietta Aleksanyan (Sopran), Carmen Artaza (Mezzosopran) und Maria Schellenberg (Mezzosopran) und die drei anmutig tanzenden Nymphen des Internationalen Tanzzentrums von Teneriffa belebten das Geschehen immer wieder mit ausgezeichnetem Gesang und ansprechenden Balletteinlagen in wallenden türkisen Kostümen. Voll überzeugen konnten auch Jirí Brückler als Förster und Heger sowie Nicole Chirka (Mezzosopran) als Küchenjunge in unkonventionell angelegten Rollenprofilen.
Paul Daniel dirigierte das Teneriffa Symphonieorchester mit ruhiger Hand, hoher Konzentration auf die Sänger und offenbar auch großer Kenntnis der Partitur von AntonínDvořáks. Die Musiker vermochten unter der Orientierung von Daniel den glutvollen Charakter der böhmischen Musk aufs Beste zu vermitteln. Auch der Coro Titular de Tenerife-Intermezzo war aus dem Off gut zu hören.
Zwei starke Abende an einem der zwei großen Opernhäuser auf den kanarischen Inseln, in dem sein Intendant José Luis Rivero eine gute Hand bei der Diversifizierung des Repertoires beweist. Bald wird er auch das deutsche Fach bringen, u.a. ist ein „Lohengrin“ programmiert.
Dr. Klaus Billand
13. März 2024 | Drucken
Kommentare