Salzburg eröffnet effektvoll wuchtig auf höchstem künstlerischen Niveau

Xl_50ca79a6-7505-4a0b-92fb-fe6ff2bd8460 © Monika Rittershaus

Bela Bartok Herzog Blaubarts Burg - Carl Orff De Temporum fine comoedia Salzburger Festspiele 26.7.2022

Salzburg eröffnet effektvoll wuchtig auf höchstem künstlerischen Niveau

Für die Eröffnung der diesjährigen Salzburger Festspiele zum Motto „das Spiel zum Ende der Zeit" hat sich Intendant Markus Hinterhäuser eine außergewöhnliche spannungsgeladene Kombination von zwei vielschichtigen unterschiedlichen und doch philosophisch so nahen Werken mutig ausgewählt. 1911 komponierte Bela Bartok seine einzige Oper Herzog Blaubarts Burg, 1967 Carl Orff sein Oratorium De Temporum fine comoedia, sein letztes Opus. Beide Werke beeindrucken in ihrer Aktualität und musikalischen Modernität. Bartoks Oper über die Liebe und Psyche des Herzogs ist mit zwei Darstellern und einer Handlung von Minimalismus geprägt, Orffs Werk vom Weltuntergang ist von Religiösität und Monumentalität der Chorszenen getragen. Der in Salzburg gefeierte Regisseur Romeo Castellucci hat nach Salome und Don Giovanni die darstellerische Umsetzung dieser beiden selten aufgeführten Stücke übernommen und auch eine gelungene überraschende Zusammenführung geschafft. Kein Bühnenbild, sondern spärliche Requisiten, Feuerzauber und Lichteffekte dienen ihm neben wirkungsvollen Kostümen bzw Maske.

Blaubarts Burg ist eine imaginäre Welt der Dunkelheit. Kindergeschrei ertönt hinter dem Vorhang, in dunkler Kutte erscheint Helena Rasker vor dem Vorhang für den Prolog in englischer Sprache aus einem kleinen Buch gelesen. Judit und Blaubart stehen weit auseinander auf der Bühne. Sie hält einen Säugling in den Armen, ist es das gemeinsame Kind. Ist es tot? Es gibt keine Aufklärung aber die Vorzeichen für die Deutung sind gegeben und Judit wird der zentrale Charakter, der Blaubarts Psyche durchleuchtet. Es werden keine Türen geöffnet sondern ab und an ein Feuer auf Objekten gezündet. Kern der Umsetzung ist eine intensive durchdringende Personregie zwischen den beiden. Castelucci greift den subtilen Rhythmus der Musik auf und gestaltet einen Tanz,  einen Tanz mit dem Tod.

Orffs Dreiteiler thematisiert seine Sicht auf das jüngste Gericht. In ekstatischen Weisagungen kündigen die Sibyllen den Weltuntergang an und die Verdammnis der Gottlosen. In langen schwarzen und weißen Kutten wirbeln die neun Sängerinnen in schematischen Stellungen herum, wie ein enger Kreis der sich öffnet oder Rhomben. Ihre schrillen bohrenden Rufe erreichen die eremitischen Mönche, die Anachoreten. In braunen Mönchskutten glauben sie an ein gutes Ende und Erlösung. Sinnbildhaft wird ein Stamm aufgestellt, eine Kreuzigung angedeutet aus der ein Baum sinnbildhaft wächst. In Dies illa, dem letzten Tag, steigen Unmengen von Gestalten in weißen Ganzkörperüberzügen wie Insekten aus dem Bühnenboden und kriechen herum. Dunkelheit und Aufregung herrscht zwischen den Auferstandenen. Die Gestalten formen immer wieder eine magische Wand begleitet von eindringlichen Akklamationen des Chores.

Gespenstisch ist der Gesamteindruck, der sich auflöst als Lucifer der gefallene Engel bekennt, dass er gesündigt hat. Judit und Blaubart treten als Lichtbringer auf und lösen die Spannung. In der Erlösung ist der Bogen über beide Werke dramaturgisch gut gezogen.

Musikalisch gestaltet den Abend Teodor Currentzis. Der Grieche mit dem russischen Pass steht löst seit Jahren kontroverse Diskussionen aus, so auch zur Zeit über seine politische Nähe zum russischen Machthaber und Regime. Am Pult des Gustav Mahler Jugendorchester greift er gewohnt gestenreich zu. Im Tempo zurückhaltend wirkt sein wuchtiges Spiel mit der Lautstärke. Es wird kräftig im fortissimo am vollen Orchesterklang geschmiedet. Mächtig schwillt dieser an und übergießt förmlich das Publikum. Geschickt feilt er an einem zudem transparentem Klang für die feinsinnnigen Harmonien und subtilen Rhythmen der Partitur Bartoks. Für Orff zudem spielt er meisterhaft mit den Vokalstimmen. Der von ihm gegründete Musica aeterna Choir aus St. Petersburg und der Bachchor Salzburg bilden zusammen das nötige Gebilde, um die Durchschlagskraft der Gesänge den gewünschten Effekt zu geben.

Der Bassist Mika Kares als Herzog Blaubart und Ausrine Stundyte als Judit verkörpeen schauspielerisch und stimmlich eindrucksvoll die Protagonisten im ersten Teil des Abends. Viel Jubel am Ende vom ausverkauften Haus. Wieder ist den Salzburger Festspielen ein künstlerisch bemerkenswerter Abend gelungen .

Dr. Helmut Pitsch

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