
Modest Mussorgski Chowantschina Osterfestspiele Salzburg Premiere 12.4.2025
Salzburg - Großaufgebot der Kräfte für russische monumentale Choroper
Die Vergangenheit in der Gegenwart - das ist meine Aufgabe prangt in großen Buchstaben projeziert auf den golden beleuchteten eisernen Vorhang der breiteb Bühne des großen Festspielhauses in Salzburg. Die diesjährige Opernpremiere der Salzburger Osterfestspiele ist der selten gespielten Oper Chowantschina von Modest Mussorgski gewidmet.
Das monumentale großformatige Werk in Länge und Mitwirkenden in 5 Akten basiert auf realen historischen Gegebenheit im zaristischen Russland des 17. Jahrhunderts und beschreibt das politische Chaos vor der Machtübernahme des jungen Zar Peter. Das Libretto der unvollendeten Oper in 5 Akten stammt vom Komponisten. Die auftretenden Adeligen sind wahre Persönlichkeiten, lediglich die verbindende Rolle der Mafra zwischen den verfeindeten Fürsten, einer jungen religiösen Fanatikern, Weisagerin oder Hexe wurde hinzugefügt. Ihre Liebe und Hingabe zu Andrej Chowanskij, Sohn des machthungrigen Fürsten Iwan zieht sich durch den vierstündigen Abend, der von den Auseinandersetzungen zwischen dessen Strelitzen und den schismatischen Altgläubigen auf der einen Seite und der Zarenfamilie angeführt von Regentin Sofia und ihrem Berater Prinz Golizyn. Die Kämpfe endeten blutigst mit Massenhinrichtungen.
Viel Gewalt und Verblendeter Kampf ist auch in der Oper spürbar und Gegenstand der Handlung aber es gelingt dem Regisseur Simon McBurney vorbildhaft Brutalität anzuseuten und in die Dramatik einzubauen ohne abzustoßen. Rebecca Ringst schuf klare kühle Bühnenbilder für diese Koproduktion der Osterfestspiele mit der Metropolitan Opera New York. Der Videodesigner Will Duke steuert immer wieder Videoprojektionen vom Bühnengeschehen auf den Bühnenhintergrund bei, Tom Visser schafft es die große Bühne matt ausgeleuchtet immer im richtigen Licht für die Handlung in Szene zu setzen. Christina Cunningham liefert moderne zumeist Alltagsmode für den großbesetzten Chor, Anzug und Krawatte oder auffällige Luxuskleidung für den Adel. So kommt die Vergangenheit der Handlung in die Gegenwart und zeigt, daß sich wenig geändert hat und der Stoff besser den je aktuell ist.
Mussorgski hinterließ wie die meisten seiner Opern auch diese unvollendet. Hier kommt die neue Fassung bearbeitet von Dmitri Schostakowitsch mit dem Chorfinale von Igor Strawinsky ergänzt mit elektronischen Arrangements von Gerard McBurney, dem Bruder des Regisseurs zur Aufführung.
Das Orchester in Residenz der diesjährigen Osterfestspiele ist das Finnish Radio Symphony Orchestra unter der Leitung seines Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen, dessen Wunsch auch die Auswahl der Oper beeinflusste. Er hebt die harmonische Sprache Mussorgski in der radikal modernen Verwendung von Akkorden hervor und dessen avantgardistischen Einbeizug der Gesangsstimmen ohne Arien in ausgedehnten Sprechgesang. Sein Dirigat ist besonnen, klar strukturiert und lässt die farbliche Vielfalt der Musik erklingen, die von Volksliedern, volkstümlichen Melodien und schwerer russischer Seele beeinflusst ist. Bereits im Vorspiel, beliebt auch als Konzertstück, lässt er die emotionale Kraft der Musik durchschimmern. Zurückhaltend abervollmundig gebettet begleitet er die mannigfaltigen Chorszenen, die wesentliche Handlungsstränge knüpfen. Phantasievoll ist auch die Instrumentierung, die Gefühlsregungen und Naturstimmungen wie auch kämpferische Auseinandersetzungen begleiten. Ohne ausaufernde Gesten führt er die vielen Mitwirkenden. Der slowakische Philharmonische Chor, verstärkt vom Bachchor Salzburg sowie dem Kinderchor der Salzburger Festspiele überzeugt in durchdringender Performance, bestens geführten Stimmen und auch gesanglicher wie darstellerischer Präsenz.
Das internationale Sängerensemble baut in der darstellerischen Qualität der Personregie einen packenden spannenden Opernabend auf. Nadezhda Karyazina sang die Rolle bereits mit dem Orchester und Dirigenten beim Helsinki und Baltic Sea Festival. Die junge Moskauerin besitzt ein ergreifendes Timbre, dunkel gefärbt mit nahezu mystischer Tiefe, eleganter Höhe und leicht und locker zu führender Stimme. Berückend schön ist ihre Schlussszene mit dem sterbenden Geliebten, sie entführt dabei in übersinnliche Momente. Dem Rollenbild entsprechend verwandelt sie sich gekonnt stimmlich und schauspielend.
Thomas Atkins hat ihr als Andrej Chowanskij die Ehe versprochen, ist ihr aber untreu. Der Neuseeländer fügt sich in Handlung und Rolle gut ein, sticht als Wilder aggressiver Jungspunt hervor, der lyrisch seine letzten irdischen Momente auslebt. Vitalij Kowaljow ist gern gesehener Gast auf den internationalen Bühnen. Als Iwan Chowanslij, Andrejs blutrünstiger und machthungriger Vater, kann er seinen kernigen kräftigen Bass gut zur Geltung bringen. Seinen Widersacher Dosifej als charismatischen Führer der Altgläubigen verkörpert Ain Anger mit warmen Bass. Mit leichter Brüchigkeit verleiht er seinem huldvollen Gesang russische Melancholie und Elegie und führt sein Volk salbungsvoll Trost spendend auf dem Weg zur Hinrichtung. Als Schreiber zeigt Wolfgang Ablinger-Sperrhacke wieder seinen vielfältigen Charaktertenor mit gewohnter Spielfreude. Daniel Okulitch als Schaklowityi und Matthew White als Prinz Golizyn runden das ausgezeichnete Ensemble ab.
Großer Zuspruch und kräftiger Applaus für alle Mitwirkenden und das Regieteam.
Dr. Helmut Pitsch
14. April 2025 | Drucken
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