Salzburg- Zuviel Konzept zuwenig Erzählung für einen verfrachteten Hoffmann

Xl_11_les-contes-dhoffmann-2024-c-sf-monika-rittershaus_354 © SF / Monika Rittershaus

Jacques Offenbach Les Contes d‘Hoffmann Salzburger Festspiele 24.8.2024

Salzburg- Zuviel Konzept zuwenig Erzählung für einen verfrachteten Hoffmann

Umfangreich, das Verständnis zu fördern, ist das Interview mit der Regisseurin Mariame Clement im Programmheft der Salzburger Festspiele. Nach vier Stunden Aufführung erkennt der Besucher wenig von den konzeptionellen Überlegungen der Französin. Die reele und fiktive Welt in dieser etwas absonderlichen Handlung wolle sie darstellen. Es gilt vier Erzählungen des deutschen romantischen Poeten auf der Bühne zu verbinden und den Erzähler selbst als wesentliche Person der Handlung zu integrieren.

Dieser Herausforderung setzt sie noch eine weitere Ebene hinzu. Hoffmann reift zu einem Regisseur und die Erzählungen sind Gegenstand eines Films, den er dreht. Es scheint zur Zeit Mode zu sein, Opern als Filmstoffe auf der Bühne zu verwerten, begleitende Kameramänner und Projektionen des Gefilmten inklusive. In Salzburg verrennt sich Clement und hinterlässt einen wirren spannungslosen Opernabend. Mühsam kann der Betrachter dem übertriebenen Aufwand auf der Bühne folgen, die Sänger können in ihrer engagierten Rolleninterpretation wenig retten.

Julia Hansen liefert ein tristes Bühnenbild , wir befinden uns im Inneren eines schmucklosen Theaters vor den Garderobentüren. Künstler in barocken Roben und Perücken kehren von ihren Auftritten wieder. Hoffmann ist ein gescheiterter Poet, dem Suff verfallen in Jeans und Lederjacke. Wie er mit seinen Habseligkeiten im Einkaufswagen unter den er zum Schlafen kriecht, vom Supermarkt hierher geraten ist bleibt ungelöst. Sein Treffen mit den Saufkumpanen in Lutter und Wegener wird zur schnell hereingeschobenen Kantine im Theatergang. Für die vier Begegnungen mit seinen angebeteten Frauen- aus verschiedenen Erzählungen E.T.A. Hoffmanns für das Libretto zusammengebaut, werden kleinere Bühnenelemente auf die Bühne geschoben. Olympia ist keine Puppe sondern eine lebendige stramme junge Frau ohne jegliche Mechanik mit übertriebenen blinkenden Eisenbüstier. Hoffmann schlüpft in die konzeptionell nicht stringente Rolle eines Regisseurs und Kameramanns. In der Antonia Episode springt er zwischen Liebhaber und Regisseur, zusätzlich wird er noch von einer stummen Statistenrolle gedoubelt. Die Verwirrung ist komplett, wenn er seine Rolle aus dem Off singt. Viele Statisten behindern die Intimität dieser tragischen Figur. Ohne Venedig Flair, nur vor Holzgerüsten und ohne Mobiliar verläuft die Begegnung mit Giuletta uninspiriert. Der Verlust seines Spiegelbildes kommt wenig zur Geltung, dem Zweikampf mit Schlemil erlebt der Betrachter in Zeitlupe.

Wenig zur Geltung kommt auch die Rolle Lindorfs, der in jeder Erzählung als Gegenspieler Hoffmanns zentral im Stück ist, wie auch die vier Dienerrollen aller Frauenbilder. Dafür entstehen neue Schauplätze mit zahlreichen Statisten, Unruhe und Klamauk lenken den Betrachter ab.

Am Pult versucht Marc Minkowski seine eigene Interpretation der Handlung zu erzählen. Die Wiener Philharmoniker lässt er expressiv mächtig monumental aufspielen, ohne romantische Verklärtheit zu versprühen. Auch wählt er eine Lautstärke, die die Sänger fordert und oft genug zudeckt. Die Leichtigkeit der Melodien fließt wenig, sein Erzählstil ist direkt und klar.

Unter diesen Voraussetzungen ist es für das Sängerensemble schwierig, ihre Rollendarstellungen zu prägen. Benjamin Bernheim überzeugt mit seinem lyrischen Tenor, der samten gebettet die Melodiebögen auskleidet. Mit Schmelz und gefühlvoller Nuanciertheit führt er seine Arien aus. Trotz der verwahrlosten Zeichnung der Regie bleibt er ein edler Herzensbrecher, dem Publikum gefällts. Kathryn Lewes übernimmt die Herausforderung, alle seine vier geliebten Frauen zu gestalten. Die Amerikanerin besitzt einen kräftigen Sopran mit sicheren Höhen, intoniert aber unsauber. Unklar gestaltet sie die Melodien, zeigt wenig Nuancen zu den unterschiedlichen Rollenbildern. Christian van Horn kriegt von der Regie wenig Unterstützung in seinen sich wandelnden Auftritten als Bösewicht. Überzeichnet wird er ein Doktor Miracle mit Teufelshörner und Schwanz, großen Pranken mit Krallen. Als Dapertutto wandelt er als Fettwanst in pinker Hose. Farblos verbleibt so sein weicher Bassbariton mit amerikanisch dunklem Akzent im Französischen. Kate Lindsay ist eine progressive Muse, noch besser als treuer Kamerad Nicklausse. Die Hosenrolle entspricht ihrem schauspielerischen Talent. Intensive Gefühle liegen in ihrem Mezzo, der hell und gut in den Höhen geführt wird.  Klar ohne Dramatik ist ihre Linieführung. In der Tiefe verengt sich ihre Stimme mit Hang zur Mystik. Marc Mauillon hat Talent zur Komik und ist vielfältig in den Rollen der Diener. Hier hilft ihm sein breites Stimmfach als Tenor und Bariton. Geschickt nutzt er Überzeichnungen in der Stimmfärbung.

Die Nebenrollen sind durchgängig ebenso gut besetzt. Die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor füllt klanglich bestens vorbereitet ihre Rollen aus und wirkt engagiert mit, wobei sie choreographisch wenig eingebunden ist und wirkt als Block statisch auf der großen Bühne.

Viel Zuspruch für die Solisten vom Publikum, sachte Ablehnung für den Dirigenten.

Dr. Helmut Pitsch

 

 

 

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading