Giuseppe Verdi Don Carlo Scala di Milano 13.12.2023
Staraufgebot muntert eine einfarbig statische Neuinszenierung von Don Carlo prächtig auf
Ein Staraufgebot zieht derzeit viel Aufmerksamkeit und opernbegeistertes Opernpublikum aus nah und fern zur diesjährigen Saisoneröffnung der Mailänder Scala. Das Opernhaus ist eine schillernde Größe in der Klassik und berühmt als Spielstätte zahlreicher Uraufführungen bedeutender Opern. So auch für die italienische Zweitfassung von Giuseppe Verdis grand opera Don Carlo am 10. Januar 1884. Die französische Urfassung erlebte diese bereits 1867 an der Pariser Oper. Mit Lluis Pasqual wurde ein spanischer Regisseur für die Neuinszenierung beauftragt, der das Drama um den spanischen Hof im 16. Jahrhundert dem historischen Hintergrund entsprechend in einem einheitlichen Bühnenbild von Daniel Bianco ablaufen lässt. Gitterstäbe werden ab und an heruntergelassen ein kreisförmiges Podest in der Bühnenmitte wird mit beweglichen hell angeleuchteten, wie Alsbasterfenster wirkenden Wänden, ab und an umschlossen.Der Ablauf beinhaltet wenig Bewegung oder auch Personenregie. In prächtigen dunklen Kostümen wird meist an der Rampe gesungen. Etwas verhungert wirkt das Autodafe, in dem ein paar Ketzer halbnackt in den Bühnenuntergrund springen und am Ende ein magerer Feuerschein hervorkricht.
So bleibt die Wirkung des Abends auf die musikalische Gestaltung ausgerichtet. Generalmusikdirektor Riccardo Chailly steht am Pult des Orchestra del Teatro alla Scala. Er unterdrückt die Dramatik des Werkes, bleibt ruhig in der Ausschmückung der Partitur, auch im Tempo hätte mehr drinnen sein können. Immer wieder gelingt mit den großartigen Leistungen der Sänger und Sängerinnen ein Spannungsaufbau der sich aber den Abend lang nicht durchzieht. Sehr gut ist der Coro del Teatro alla Scala von Alberto Malazzi vorbereitet. So ziehen alle Aufmerksamkeit die Protagonisten auf der Bühne auf sich und hier hat die Intendanz ein handverlesenes Ensemble aufgeboten. Zum Erlebnis wurde das „Duell“ um Macht, Position am Hof und der Liebe zum Titelhelden. Hier stehen sich zwei der bedeutendsten Vertreterinnen ihres Faches gegenüber. Anna Netrebko ringt um die Rückkehr auf die internationalen Bühnen des Westen nach den medialen Angriffen ihrer Person und Verbindungen zum russischen Regime. Nach klaren Statement kann sie jetzt zum Glück vermehrt mit ihren außerordentlichen Interpretationen gesanglich und darstellerisch in Begeisterung versetzen. Sie ist eine hoheitsvolle Königin Elisabeth, die ihr Amt mit Grazie und Würde, sowie strenger höfischer Etikette ausübt. Trotzdem tritt sie ihrem Gatten, dem König selbstbewusst bisweilen kämpferisch gegenüber. Festgeschnürte Gefühle gegenüber ihrer Liebe zum Infanten Don Carlo lässt sie dosiert zu. Dies alles vermag ihre volle, immer dunklere Stimme ausdrucksvoll umzusetzen. Klar durchdringend bleibt sie gut intoniert in der Mittellage und Tiefe, ihre Höhe ist treffsicher klar und mit einem warmen Timbre, das sie auch noch zu modulieren weiss.
Dem stellt sich mit einer ebenso natürlichen Präsenz Elina Garanca gegenüber. Die Lettin zeigt viel Kraft und Dramatik in ihrem technisch perfekten Mezzo. Ihre dunkle Tiefe zieht magisch an, immer bleibt die Stimme bestens geführt cantabel. Sie kann ebenso Gefühle umfassen und farbliche Schattierungen mannigfaltig einbinden. An dieser Prinzessin Eboli kommt niemand am Hof vorbei. Mit ihrer Erscheinung kann Garanca auch das „fatale“ Geschenk erlebbar machen. Dem muss sich Michele Pertusi als der kühle, mächtige Herrscher entgegen bringen, der bereits im Innern die Konflikte spürt. Obwohl ihm die dunkle Kraft und das Volumen in der Basstimme fehlt, gelingt ihm seine große Arie „Ella giammai m’amo“ ,mit ehrlicher Emotion durchsetzt, sehr ergreifend. Francesco Meli forciert mit viel Kraft seinen Don Carlo und wirkt angestrengt. Er hat die Rolle sicher im Griff, Gestaltungsmerkmale von feinen Piani oder weichen Melodiebögen nutzt er wenig. Luca Salsi überzeugt als großherziger mutiger Rodrigo Marquese di Posa. Mühelos feilt er an einer feinen fassettenreichen Interpretation seiner Rolle, den Treueid gibt er eine sehr vermittelnde ehrliche Kraft, der sich der Zuhörer nicht entziehen kann. Romantisch erfüllt endet seine Sterbeszene. Jongmin Park stellt den zweiten Bass, der als Großinquisitor dem zaudernden König gehenübersteht und auch als Mönch auftritt. Sein Bass hat Größe, klingt vollmundig satt und bringt die Würde des Amtes ein.
Ein Abend großer Stimmen wird vom Publikum kurz und innig im ausverkauften Haus gefeiert.
Dr. Helmut Pitsch
19. Dezember 2023 | Drucken
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