Schwere Tristesse in musikalischer Bestform ausgestaltet – Wiederaufnahme von Aida in München

Xl_aida_2024_e.garanca_e.schrott_c_geoffroy_schied © Geoffrey Schied

Giuseppe Verdi Aida Bayerische Staatsoper München 8.12.2024

Schwere Tristesse in musikalischer Bestform ausgestaltet – Wiederaufnahme von Aida in München

Seit der Premiere 2023 spaltet die Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Drama lirico Aida durch Damiano Michieletto das Münchner Opernpublikum. Ohne Pharaonenglanz, sondern kritisch realistisch transportiert er die Tragödie um die Liebe des siegreichen ägyptischen Feldherrn Radames zu der äthiopischen Sklavin Aida in eine aktuelle Kriegswelt, wie wir sie aus den Medien kennen. Gefühlsecht versammeln sich die Ägypter in einer zerbombten Turnhalle, auch hier herrscht Not und Zerstörung, der Triumphmarsch ist eine ernüchternde Ehrung der Kriegshelden, zumeist versehrt in Rollstuhl oder mit Krücken. Dazu werden großflächig Projektionen von Verwundeten und Kriegsschauplätzen projiziert. Der Nil fließt an einer Trümmerhalde vorbei, auf der Radames und Aida eingemauert werden. Ihr Glücksgefühl, im Himmel angekommen zu sein, läßt Michelietto mit einem volksfestartigen Ambiente erblühen, während Amneris im wahrsten Sinne des Wortes am Boden zerstört ihnen Frieden wünscht.

Trotzdem braust an diesem letzten Abend des Wiederaufnahme - Zyklus dieser Inszenierung tobender Applaus auf. Eine feinst ausgewählte Sängerriege macht den Abend zum atemberaubenden Hör- und Seherlebnis. Elena Stikhina gestaltet die Titelrolle mit Gespür für die Gefühlswelt der jungen Königstochter Aida, gefangen im Feindesland, das ebenso leidet wir ihre Heimat. Den Stolz unterdrückt, kämpft sie um Ihre Ehre und Liebe, träumt mit verklärter Erinnerung von ihrer Jugend und einer heilen Welt mit Ihrem Geliebten. Im Brautkleid schreitet sie zu ihm und erwartet mit ihm heldenhaft den Tod. Berührend setzt sie diese schmerzhaften Zustände fein nuanciert in ihrer gesanglichen Deutung um. Dabei folgt ihr ihr Sopran facettenreich mit klarer und sicherer Intonation. Weich und fein gelingen ihre Spitzentöne, elegant führt sie die Melodien. Ihre zarten Piani berühren, ihre starken Ausbrüche sitzen.

Mit Elina Garanca steht ihr eine Rivalin gegenüber, die ebenso souverän diese Rolle gestaltet. Die mehr als überzeugende Szene ihres letzten Versuches, den von ihr so geliebten Radames für sich zu gewinnen endet in einer selbstzerstörerischen Verzweiflung, die unter die Haut geht. Auch sie setzt ihren Mezzosopran prägnant und ausdrucksstark ein. Dabei bleibt sie immer in feiner Linienführung ohne zu überdrehen in allen Lagen. Auch ihre Piani sind fein gehaucht und doch präsent. Ihre Forte sitzen ohne Druck. Ein würdiges Duell der Beiden um einen Helden, den Arsen Soghomonyan eher unbeteiligt und hölzern sperrig im Spiel erwidert. Steif und aufrecht steht er zumeist ohne Regung den beiden gegenüber. Sein imposanter Tenor punktet mit kraftvollen sicheren Höhen und einer breiten Melodieführung. Seine Stimme klingt trocken und läßt Wärme sowie Schmelz vermissen.

Erwin Schrott zieht mit seiner gewohnten Bühnenpräsenz und darstellerischen Stärke unsichtbar als Ramfis die Fäden. Im Ledermantel mit Pistolengurt ist er furchterregend mit seinem mächtigen Bariton, den er auch gerne vollmundig einsetzt. Seine dunklen Tiefen können herrschaftlich dröhnen und ziehen die ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich. Aber auch Alexander Köpeczi als Re ist erfreulich durchdringend und gut besetzt. Der Mongole Amartuvshin Enkhbat stellt sich als Amonasro, König der Äthopier, den Ägyptern ehrenvoll gegenüber. Mit subtiler Spitze nagt er am Gewissen seiner Tochter Aida und fällt hier in dieser Inszenierung durch einen Schuß aus Ramfis Pistole. Stimmlich sowie gestalterisch kann er noch nuancierter und flexibler werden, seine italienische Aussprache hat sich deutlich verbessert.

Wesentlich zum Erfolg des Abends hat Francesco Ivan Ciampa am Pult des Bayerischen Staatsorchester beigetragen. Er führt die Musiker, den bestens aufgelegten und einstudierten Bayerischen Staatsopernchor sowie alle Sänger mit großer Aufmerksamkeit, klaren Einsätzen und Zeichen. Mit flinken Gesten deutet er ununterbrochen seine Erwartungen und Anforderungen an. Er variiert gut ausbalanciert im Volumen, durchaus die Sänger fordernd. Freudig wird auch geschmettert und kontrastreich musiziert.

Ein großer Abend, der vom Publikum mit größter Anerkennung wahrgenommen wird. Langer kräftiger Beifall.

 

Dr. Helmut Pitsch

 

 

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