© Ruppert Larl
Nahezu 25 Jahre arbeitete Giuseppe Verdi an dieser Oper und schuf zwei komplette Fassungen dieses Dramas um Macht, Gier, Hass und Liebe, mit starker politischer Aussage. Die Handlung hat ihre Kanten und ist düster, welches die Akzeptanz beim Publikum erschwerte. Musikalisch steht es ganz nah an den beiden Spätwerken Falstaff und Otello. Deren Librettist Arrigo Boito hat auch wesentlich an der späten Fassung von Simon Boccanegra mitgearbeitet.
Wenig Auseinandersetzung mit der Handlung zeigt die Regie von Thilo Reinhardt. Sein Regiekonzept eröffnet sich nicht und der Betrachter stellt sich mehrmals Interpretationsfragen. Er versetzt das Geschehen in die Gegenwart, in einen schmucklosen Betonbau sozialistischer Prägung. Überall an den Palastwänden finden sich Flaschenzüge, ggfs ein Bezug zur Seefahrt des Helden. Die Bühne von Paul Zoller besteht aus nackten grauen Säulen und Wänden, die sich bei Bedarf auch drehen. Die tote Geliebte Maria sitzt verschleiert auf einem schwarzen Sofa, umgeben von Büchern und Kerzenständern. Das Palastportal zu den Fiescos ist ein schräg angelehnter Türstock. Alles bleibt dunkel gehalten. Das Sofa bleibt zentrales Mobiliar. Amelia sitzt zu Hause bei den Grimaldis und erwartet ihren Geliebten und im Palast des Dogen steht es auch als Schmuckstück. Katharina Gault steckt die Sänger inklusive Chor in schlecht geschnittene abgetragene Kostüme und lässt sie fettige lange Haare tragen. Gerade in Italien kann man sich solche ungepflegte Äusserlichkeiten nicht vorstellen. Mehr als holprig wirkt die zentrale Szene, die Sitzung des Rates im Dogenpalast. Hektisch unmotiviert rennen die Abgeordneten mit ihren leeren Aktentaschen herum und schlagen sinnlos aufeinander ein. Unerträglich wird es dann im Schlussbild, in dem der Verurteilte Paolo mit seinem Strang um den Hals herumschleicht, um einen Henker zu finden. Dabei stört er die wunderbar musikalisch gestaltete Versöhnung von Simon und Fiesco. Diese Interpretation macht es den jungen und durchgängig sehr gut ausgewählten Sängern nIcht einfach, Stimmung und Gefühle überzeugend zu vermitteln. Umso mehr bemühen sie sich, ihre Talente zu zeigen. Kirill Manolov singt mit seinem warmen Bariton den Titelhelden, lässt sich aber mit Indisposition ansagen. Mit seiner grossen Körperfülle nimmt er seinen Raum auf der Bühne ein, aber zeigt auch viel Körper im seinem leidenschaftlichen Gesang. Satt und gehaltvoll singt er über verschiedenene Lagen hinweg und bleibt klar und verständlich bis in die höchsten Töne. Viel Stimme und Farbe besitzt auch die Sopranistin Barno Ismatullaeva aus Usbekistan. Ihr Sopran ist breit angelegt, in der Höhe intoniert sie manchmal unsauber und gleitet über Spitzentöne hinweg, welche sie aber durchaus erreicht. Ihre Amelia ist nicht jungfräulich engelsgleich, sondern selbstbewusst und engagiert. Da verpasst sie ihrem geliebten Adorno auch mal einen Schlag mit der Flasche auf den Kopf, um ihn gefügig zu machen. Diesen mimt sympathisch Viktor Antipenko mit einer Tenorstimme mit Strahlkraft. Zuwenig nuanciert er noch die Lautstärke sondern drückt ständig an den Anschlag. Höhe und Tiefe sitzen sicher und auch schnelle Läufe gestaltet er akzentuiert. Sein Timbre ist vollmundig und hell. Daniel Luis de Vicente ist auch ein kräftiger Sänger und sein Paolo misst sich mit dem Titelhelden. Zurück bleibt die Gestaltung und der Ausdruck von Johannes Maria Wimmer als nachtragender, von Hass durchtränkter Fiesco.
Im Graben versucht Seokwon Hong einen schwungvollen, romantischen Verdi zu bauen. Klar sind seine Tempi, im Volumen und im Zusammenspiel bringt er die Instrumentengruppen nicht ausgewogen harmonisch zusammen. Den Sängern folgt er aufmerksam, legt ihnen gefühlvoll einen Unterbau und deckt sie nicht zu. Insgesamt ein musikalisch überzeugender Abend, der ohne die Regie gut zurechtkäme. Vom Publikum kommt lautstarke Anerkennung für die Sänger.
Dr. Helmut Pitsch28. Dezember 2018
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