1. Akademiekonzert Nationaltheater München 9.10.2022
Spannende Begegnung mit Raritäten in München
Vom Basspausonist zum gefragten Dirigenten, rasch entwickelte sich die Karriere von Joseph Bastian, der am Pult des Bayerischen Staatsorchesters nun sein Hausdebüt als Dirigent gibt. Seine Programmauswahl ist außerordentlich, verzichtet er auf Geläufiges und stellt außergewöhnliche Werke gegenüber. Zu Beginn steht Thomas Ades mit seinen „Three Studies from Couperin“. Der Brite wird als Erneuer der britischen zeitgenössischen Musik gesehen, fest in der klassischen Tradition verhaftet. Er belebt die barocken Werke für Clavecin in breiter Orchester Instrumentation und nutzt dabei die volle Klangfarbenpalette und füllt die Harmonik mit gefühlsbetonten Nuancen und haucht den Vorlagen ein neues Leben ein. Bastian dirigiert ruhig und akzentuiert, setzt auf keine weiteren Effekte sondern besonnen auf Transparenz. So lässt er die spannende Mischung barocker Noten mit romantisch durchwirkter Orchesterfülle virtuos zu.
Edward Elgars Konzert für Violincello ist eng mit dem Schicksal der bedeutenden Cellistin Jacqueline du Pre verbunden. Sie brachte das 1919 uraufgeführte Stück wieder zurück in die Konzertsäle. Die innere Elegie und seelische Schwere der Komposition verbindet sich wunderbar mit der melancholischen Klangfärbung des Cello. Der Solopart ist anspruchsvoll ausgekleidet. Drr Augsburger Maximilan Hornung zählt mittlerweile zu den führenden Cellisten und hat mit vielen großen Orchestern und Dirigenten gespielt. Hier gibt er ebenfalls sein Hausdebüt mit einer eindrucksvollen Interpretation. Für den großen Beifall bedankt er sich mit einem Satz aus der Partita von Johann Sebastian Bach als Zugabe,
Nach der Pause ist mit dem Adagio von Guillaume Lekeu ein weiteres selten gespieltes Werk auf dem Programm. Der Schüler Gabriel Faures verstarb 1894 im Alter von 24 Jahren und hinterließ ein umfangreiches spätromantisches Ouevre. Sein Adagio für Streicher ist von Trauer und Schmerz angesichts des Todes seines Lehrers Faure geprägt. Subtil werden die Themen aufeinander gelegt und von den Instrumentengruppen weitergeleitet. Ein steter Fluss, schier unaufhaltsam entwickelt sich und lässt den Zuhörer mitschwingen. Der Einfluss Richard Wagners ist fühlbar. Fein dringt die Stimmung und Gefühlswelt durch. Der Dirigent bleibt wiederum vorsichtig und zurückhaltend mit weiteren Verzierungen und behält die ruhende Grundstimmung im Auge ohne dramatische Steigerungen oder Entladungen.
Zum Abschluss wechseln wir in den Impressionismus und das Orchester verfestigt sich in bildreichen Naturspielen. Auch Claude Debussys Komponisition von La mer ist beeinflusst von seinem Besuch der Aufführung von Richard Wagners Ring des Nibelung in London. Die ausgefeilt anmutende Schilderung wogender Wassermassen ist ein klar struktierter Themenaufbau und deren Verarbeitung mit phantasiereicher Durchsetzung erfolgt in stetiger Entwicklung. Poetisch muten die Satztitel an. Morgengrauen bis Mittag auf dem Meer, Spiel der Wellen und Dialog zwischen Meer und Wind. Nun lässt Joseph Bastian das Orchester mit gezähmter Kraft und Volumen fein musizieren und achtet auf die unterlegten Rhythmen. Wohl dosiert erarbeitet er die vielschichtigen Klangfarben, grenzt die Instrumente in ihrer Stimmführung ab und setzt so das Werk zu einem imposanten Ganzenzusammen.
Viel und herzlicher Beifall vom Publikum
Dr. Helmut Pitsch
10. Oktober 2022 | Drucken
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