Staatsoper Hamburg - Eine Fanciulla aus dem französischen Westen

Xl_img_1505 © Erinkhoff/Mögenburg
Ein Mädchen ist diese Minnie nicht, die da in Kalifornien in der Zeit des Goldrausches einen Spielsalon und eine Bar betreut. Die Kundschaft sind die spröden Goldgräber, Haudegen von ihren Familien getrennt, in der Hoffnung das grosse Glück, das Vermögen zu finden. Giacomo Puccini schuf dieses Musikdrama als Auftragswerk der Metropolitan Opera, die dort 1910 uraufgeführt wurde. Mit der deftigen Handlung um Liebe und dem Happyend ist er damit auch ein Begründer des Italowestern, der in den 60iger und 70iger Jahren die Leinwand erobert hat. Es ist die erste Oper, die zur Gänze auf dem neuen Kontinent spielt und musikalisch hat der Komponist Elemente des Ragtime, Gospel und der Indianermusik geschickt integriert. Er selbst schätze dieses Werk als seine beste Oper ein. Aber es verschwand schnell von den Spielplänen und erlebt erst in den letzten Jahren eine Wiederentdeckung. Viele Opernhäuser haben in den letzten Jahren spannende Neuinszenierungen mit klingenden Namen angesetzt. So auch die Hamburger Staatsoper 2015. Vincent Boussard führte Regie, das Bühnenbild stammt von Vincent Lemaire, die Kostüme von Christian Lacroix. Ein elegantes Etablissement führt Minnie, die Polka Bar ist geräumig mit einer langen Theke, die vom rechten Bühnenrand just an der Rampe zum Publikum fast die gesamte Bühne einnimmt. So wird der Betrachter von dem Geschehen getrennt und in seiner Sicht eingeschränkt. Der Sinn oder Vorteil dieser Raumgestaltung lässt sich nicht erkennen. Die Regie lässt die Handvoll Goldschürfer zu Beginn an der Bar aufgereiht agieren, sodass keine wirkliche Athmosphäre entsteht. Alle behalten ihre langen Mäntel und bunten Schals an, als ob man in einer Bahnhofshalle wäre. Klein und einfach ist die Hütte der tapferen Minnie, wie ein Guckkasten auf die Bühne gebaut. Eine Treppe führt ins nichts. Dafür spendet ein überdimensionierter Kristallluster Licht. Eine Metallleiter ragt im letzten, leeren Bühnenbild direkt vor den Augen des Publikums in die Höhe. Wieder ein ähnlicher gewollter Effekt der Ausgrenzung wie im ersten Akt. Anja Kampe, der Star des Abends erscheint als Minnie im langen roten Mantel. Kräftig und selbstbewusst mischt sie sich mit ihren Gästen. Ihr Sopran hat die richtige Mischung aus Lyrik und Dramatik und insbesondere die Höhensicherheit für diese anspruchsvolle Partie. Schlank und klar setzt sie die Tonsprünge an. Voll und kräftig bewegt sie sich im Austausch mit den Goldgräbern. Claudio Sgura ist ein elegant gekleideter Sheriff Kack Rance, der dunkel und mit samtenen Timbre seine Obrigkeit fühlen lässt. Genauso warm kämpft er darum, Minnie zu besitzen. Echte Gefühle klingen anders, hier lässt er enttäuschte Männerehre zu Wort oder besser zu Klang werden. Marco Berti gelingt es die Gunst der verehrten Minnie zu gewinnen, wenn gleich sein Tenor an diesem Abend nicht gerade blüht. Unsicherheiten zu Beginn kann er im Fortlauf des Abends ausmerzen, im dritten Akt auch vollmundige mit Schmelz gefärbte lyrische Melodien fliessen lassen. Josep Caballé Domenech schürft am Pult des Hamburger Staatsorchester in der Partitur nach Gold. Fündig wird er dabei nicht wirklich. Zu wenig Farbe, Temperament und Schwung kommt in seiner Interpretation auf. Aufmerksam und rücksichtsvoll führt er die Sänger, klar schlägt er den Takt für die Musiker. Erst allmählich wachsen die beiden Klangebenen zusammen. Der schicksalshafte Poker lässt dies erkennen und steigert die Spannung, welche im dritten Akt voll spürbar ist. Viel Applaus vom Publikum. Dr. Helmut Pitsch | Drucken

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