© Hans Jörg Michel
Thérèse Raquin, ein Roman von Emile Zola ist die Vorlage für das Libretto von Otto Katzameier. Der junge deutsche Komponist Philipp Mantz vertonte im Auftrag der Staatsoper Hamburg und der Osterfestspiele Salzburg und finanziert durch die Siemens Stiftung die tragische Lebensgeschichte dieser Thérèse, die bei ihrer Tante aufwächst und aus Dank deren schwächlichen Sohn Camille ehelicht. Die Ehe bleibt lieb- und gefühllos und wird für sie zur Tortur. Sie geht ein Verhältnis mit einem Freund ihres Mannes, Laurent, ein. Die Liebenden beschliessen Camille in der Seine zu ertränken, um zusammen bleiben zu können. Gewissensbisse und Albträume nagen an ihnen und entzweit sie. Die Tante erkennt das Unglaubliche der Tat und verliert nach einem Herzanfall die Stimme. Ihre stumme verurteilende Präsenz treibt das Schicksal voran. In der Ausweglosigkeit begehen Laurent und Thérèse Selbstmord.
Am 14. April fand in Salzburg die Welturaufführung statt und nunmehr die deutsche Erstaufführung in der Elbphilharmonie in Hamburg. Die Musik ist gekennzeichnet durch langgezogene Töne auf den Streichinstrumenten, welche von kurzen Akkorden anderer Instrumentengruppen gestört oder begleitet werden. Der Komponist spricht von Leitmotiven, welche nicht wirklich in der melodielosen Partitur erkennbar sind. Es bleibt monoton in einem schwachen Band der akustischen Expressivität. Nur während des Mordes als auch der Selbstanklage und des damit verbundenen Geständnisses baut sich eine Dramatik in der Musik auf. Diese wird getragen durch die Klangfärbungen der einzelnen Instrumentengruppen, die übereinander geschichtet werden. Schlagzeug und Akkordeon inklusive. Der Konzertmeister des Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, Thomas Wolf führt akribisch den Takt und Einsatz für das kleinbesetzte Orchester. Es bleibt wenig Gestaltungsraum für sein Dirigat in dieser monochromen fliessenden Klangmasse.
Der Intendant des Hamburger Opernhauses Georges Delnon hat die Regie dieses 90 minütigen Einakters übernommen. Marie Therese Jossen hat ihm eine einfache aber volle Bühne gestaltet. Fünf langgezogene Tischplatten auf alten Truhen ruhend füllen die kleine Bühne. Sie sind Tisch, Bett und Podium für die schnellablaufende Handlung der Lebensgeschichte der Titelheldin. Die Enge und die festen Bahnen des bescheidenen Lebens dieser Thérese kommen gut zum Ausdruck. An der Rückwand hängen Aufnahmen eines wildbewegten Meeres, die mit Videoeinspielungen, zumeist die Gesichter der Handelnden, überspielt werden. Dazu inszeniert Georges Delnon ein ausdrucksstarkes Gebärdenspiel der vier Protagonisten. Trostlosigkeit, Verzweiflung, Intimität, Hass und Liebe werden so erst greifbar.
Marisol Montalvo hat bereits in Salzburg viel Lob für ihre Darstellung erhalten und übernimmt auch hier den Part der Thérèse. Eine energische Frau, die sich gegen das Unglück stemmt. Ein guter Kern holt sie immer wieder ein und vernichtet sie am Ende. Gefühle eskalieren im Spiel von Montalvo sichtlich und fühlbar. Stimmlich ist sie dramatisch ohne scharfe Ecken. Tim Severloh darf als kränkelnder, verwöhnter Camille nur farblos statisch bleiben. Otto Katzameier dagegen dreht als cooler Macho, emotionaler Künstler und verfolgter dem Wahnsinn verfallender Ehemann auf. Seine Stimme ist robust, höhensicher und angenehm als Sprechstimme zu vernehmen. Renate Behle spielt die Tante in verschiedenen Alterslagen und ist als lebendiges Gewissen und Verurteilung von Laurent und Therese sehr überzeugend.
Am Ende höflicher Applaus für alle, Regie und Komponist inklusive.
Dr. Helmut Pitsch20. Mai 2019
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