Politische und andere Orgasmen Wenn die neu gekrönte Kaiserin Poppea am Ende der Oper in dieser Inszenierung alleine an der Rampe steht, hat sie ihr Ziel zwar erreicht und ist sogar schon schwanger, sie blickt jedoch Nero nach, der innig umschlungen mit seinem Soldaten Lucano die Bühne verlässt. Sie ahnt ihr eigenes Schicksal – wenige Jahre später wird sie vom Kaiser verstossen und stirbt hochschwanger an den Folgen, so die historischen Quellen. Aber in dieser Oper geht es ja vielmehr um Macht, Ego, Politik und Sex. Das war im Jahr der Uraufführung 1642/3 in Venedig so oder im antiken Rom, und das ist auch heute noch so.
Regisseurin Eva-Maria Höckmayr hat gut recherchiert und kombiniert: ihr Konzept einer leeren Bühne, wo alle Darsteller kontinuirlich präsent sind und sich gegenseitig beobachten können, unterstreicht das höfische Intrigantenleben. So ergeben sich immer zwei Ebenen der Aktion: Auf der Hinterbühne verweilt, beobachtet und tuschelt der Hofstaat, an der Rampe wird agiert und gesungen. Hier geben sich Poppea und Nero ihren erotischen Spielchen hin. Hier schlitzt sich Seneca die Schlagader und fällt auf die Drehbühne, wo er dann den Rest des Abends liegen bleibt. Hier wird Kaiserin Ottavia ihrer Würden entledigt in dem sie sich entkleidet und in die Arme ihrer Amme fällt. Und hier wird auch eines der berühmtesten Liebesduette der Operngeschichte gesungen – allerdings nicht in inniger Zuneigung: die blutroten Handschuhe der Ottavia, die Poppea jetzt anzieht, bereiten ihr doch Unbehagen, sie beginnt zu zittern, vielleicht in Vorahnung, vielleicht aus Reue? Wie schon Shakespeare gesagt hat “die Welt ist eine Bühne” und so hat es auch der Bühnenbildner Jens Kilian gehalten – die steile Rampe wird einfach als Hinterwand verlängert. Fertig. Nur das Licht von Olaf Freese und Irene Selka – mal warmes Gold, mal kaltes Silber – gehen mit den emotionalln Aussagen der Handlung mit. Julia Rösler hat eine fantasievolle Mischung an üppigen Renaissance-Barock-Kostümen kreiert, die aber nicht die Tatsache verdecken, dass es sich hier um eine zeitlose, gegenwärtige Geschichte handelt – die Korsage von Poppea könnte glatt aus der letzten Kollektion von “Victoria’s Secret” stammen.
Sopran Anna Prohaska gibt ein silbrig singendes Flittchin ab - sie geht buchstäblich über Leichen – Senecas, in diesem Fall. Mitleid muss man mit ihr nicht haben. Immerhin hatte sie ja schon zwei Ehen hinter sich und galt als äusserst zielstrebig und ehrgeizig. Das singt sie mit Gefühl, mit einem strahlenden Sopran der kongenial in der Lage ist, den geistigen Zustand der Heldin darzustellen. Insgesamt gibt es drei Countertenöre in dieser Produktion: Kaiser Nerone wird von Max Emmanuel Cencic geboten, der mit Wendigkeit und Macho-gehabe einen Bi-sexuellen Herrscher gibt. Ähnlich im Timbre und Aussehen ist Xavier Sabata als Ottone (geschichtlich: Otho, der 2. Ehemann von Poppea). Der mittlerweile zu einer gewissen Reife avancierte Starcounter Jochen Kowalski verkörpert die Rolle der Amme mit Humor und Lebensweisheit. Mezzosopran Katharina Kammerloher singt den Part der verstossenen Kaiserin Ottavia mit Würde und Haltung bis zum demütigen Ende. Bass Franz-Josef Selig ist Seneca – intens und rein ist sein Ausdruck, edel bis zum bitteren Schluss. Poppea’s vertraute Arnalta wird von Tenor Mark Milhofer hingebungsvoll gesungen und gespielt – hier freut sich eine wirklich, dass ihre Herrin gesellschaftlich aufgestiegen ist, weil es auch für sie dann ein besseres Leben geben wird. Die kleineren Partien sind durchgehend besetzt – Evelin Novak as Drusilla, Gyula Orendt als Liberto und Lucano (zwar als indisponiert angesagt, hielt er sich sehr gut), Narine Yeghiyan als Damigella, Lucia Cirillo als Valletto und Amore. Sogar die Darsteller des Prologs Fortuna, Virtù (Tugend) und Amore – hier Kinder aus dem Kinderchor der Staatsoper Niels Domdey, Narine Yeghiyan, Artina Kaprelja und Noah Schurz – konnten ihre Charakteren klar auspielen.
Im Graben an diesem Abend nicht die Staatskapelle sondern die Akademie für Alte Musik Berlin, ausgewiesene Experten in Sachen Monteverdi, geleitet von Diego Fasolis, auch er Barock-Spezialist. Zusammen, aus einem ziemlich hoch gefahrenen Orchestergraben, schaffen sie einen Klangteppich für die Solisten auf der Bühne, der alle Farben, Schattierungen und die erotische Dynamik der Partitur wiedergibt. Das Berliner Publikum – mit vielen ausländischen Gästen – erwies sich als begeistert und überschüttete die Darsteller nach guten drei einhalb Stunden Musik.
Zenaida des Aubris
18. Dezember 2017 | Drucken
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