The Bassarids eine Neuauflage mit Intelligenz und Pep in Salzburg

Xl_img_1315 © Salzburger Festspiele RuthnWalz

1966 wurde die Oper Die Basseriden von Hans Werner Henze im Rahmen der Salzburger Festspiele als deren Auftragswerk uraufgeführt. Auf der Vorlage des letzten Theaterstücks des griechischen Schriftstellers Euripides "Die Bakchen" entstand sein bis dahin monumentalstes Werk für grosses Orchester. Eindrucksvoll unterscheidet sich der Kompositionsstil Hans Werner Henzes von seinen Zeitgenossen der musikalischen Avantgarde. Er bemächtigt sich der Tonalität, der Zwölftonmusik und sieht sich bewusst in der musikalischen Tradition, in einer Zeitfolge zu Wagner und Mahler als Erneuerer der Klassik. So steht auch die Kunstform Oper und das Tanztheater zentral in seinem umfangreichen Schaffen. Die Handlung umfasst die griechischen Götterlegenden, hier die Abstammung des Gottes Dionysos als Sohn von Zeus und Semele, welche von Hera aufgehetzt, durch den Wunsch, den leibhaftigen Zeus zu sehen, am Götterbild verbrennt, nicht bevor Zeus den ungeborenen Dionysos aus ihrem Körper reisst und in seinem Oberschenkel versteckt und austrägt. Dies geschehen in Theben und dorthin kehrt Dionysos zurück, um seiner Mutter zu huldigen und den Bewohnern Thebens, allen voran ihrem König Pentheus seinen Kult aufzuzwingen. Die königliche Familie ist aufgebracht und fürchtet um ihre Macht und das Ende ihres orgiastischen Treibens. Das Zusammentreffen mit Dionysos, der als junger Mann erscheint und seine eigentliche Ankunft vorhersagt zusammen mit dem exzessiven Hofleben sind Gegenstand der Handlung bis zum Mord an Pentheus durch seine Mutter Agaue.

Die Dichte der gleichzeitig stattfindenden Handlungsabläufe sowie die Gestaltung des ausufernden Lebens rund um den Königshof setzt der Pole Krzysztof Warlikowski meisterhaft mit seinem Team um. Die grosse Bühne der Felsenreitschule zeigt drei aneinandergereihte Handlungsräume, das königliche Schlafzimmer, die Empfangshalle und die Halle der aufgebahrten Semele.

Bewundernswert schafft es der Regisseur den grossen Chor der Wiener Staatsoper, der wiederum bestens einstudiert ist, in den einzelnen Räumen unterzukriegen und auch gestalterisch effektvoll in der Bewegung einzubinden. Lasziv wird da gekrochen oder geliebt, angeklagt oder furchtvoll Schutz gesucht. Das Programmheft nimmt auf eine Parallelität des Ablebens von Euripides und Pier Paolo Pasolini Bezug, beide wurden als grosse Gesellschaftskritiker des Luxus und ausschweifenden. Lebens bestialisch ermordet. "Bakchen" ist das letzte Werk Euripides, "Salo oder die 120 Tage von Sodom" der letzte Film Pasolinis. Zu diesem lassen sich in einigen Szenen klare Wiederekennungseffekte herstellen. So treten Agaueund Autonoe als auch Teiresias im Intermezzo mit nur in Unterwäsche gekleideten Statisten mit auf allen vieren und an der Hundeleine geführt auf. Auch die schwarz/weiss Videos erinnern an den Film, der ja auch in s/w gedreht wurde. 

In all diesem Geschehen über ehmen die Sänger die Aufgabe schauspielerisch aber auch sängerisch höchste Anforderungen zu erfüllen. Der dunkelhäutige schlacksige Amerikaner Sean Panikkar, mit Wurzeln in Sri Lanka, feiert sein Debüt in Salzburg und überzeugt mit einer ausdrucksstarken und stimmlich sehr ausgefeilten Darstellung. Sein Tenor vermittelt Wärme und Farbe ohne über einen satten Klang zu verfügen und bewegt sich zwischen Lyrik und Dramatik. In der Höhe klingt seine Stimme ausgedünnt, bleibt aber immer klar und verständlich. Russell Braun nutzt seinen kräftigen aber sanft klingenden Bariton für eine realistische Zeichnung des gequälten und in seiner Stellung hilflosen Pentheus. Der an Mutterkomplex und Irrationalität des höfischen Lebens zerbrochene König wird zur Marionette und schlüpft in Frauenkleider, in denen er zum Opfer wird. Ein breiter Bogen, den er in vielen Nuancen in seinem Gesang ausschöpft. Sir Willard White wirkt als der gealterte Vater Cadmus hölzern und konturlos. Wirkungsvoll und anziehend bringen sich Tanja Ariane Baumgartner und Vera Lotte Böcker als die beiden dominanten Frauengestalten am Hof ein. Gross und schlank gestalten sie ihre Auftritte mit der richtigen Mischung aus expressiven Wahn, weiblicher Raffinesse und Verführungskunst. Erwähnenswert ist die artistische Leistung der Tänzerin Rossalba Guerrero Torres, die besonders in ihrem finalen Tanz rauschartig bis zur vollen körperlichen Erschöpfung den Sittenverfall und das Inferno auf die Bühne bringt.

Diesen umfangreichen szenischen Spagat muss Kent Nagano am Pult der wieder grossartig aufspielenden Wiener Philharmoniker ständig zusammenhalten. Dicht ist der Orchestergraben besetzt, auf einer Seitenbühne sind zusätzliche Schlagzeuger postiert. Und trotzdem ist das Klanggebilde Henzes immer transparent ja wirkt meist kammermusikalisch. Er selbst sagte " Ich habe versucht, in meiner Partitur darzustellen, wie das Tonmaterial des Gottes Dionysos langsam, lockend, listig und am Ende dann auch äusserst gewalttätig die mönchisch keusche Klangwelt des Pentheus zernichtet. Darin bewegt sich die musikalische Schöpfung, die es darzustellen gilt. Kent Nagano überzeugt immer wieder mit seiner Interpretation zeitgenössischer Musik. Mit Exaktheit und der richtigen individuellen Mischung arbeitet er die vielen unterschiedlichen Rhythmusgebilde, Harmonien, raren Dissonanzen und Anstalten von Melodien heraus. Diese Neuinszenierung ist einspannender, in jeder Hinsicht erlebnisreicher und lohnender Ausflug in die griechische Götterwelt. Das Publikum begleitet und bedankt sich überzeugt und begeistert.

Helmut Pitsch

| Drucken

Mehr

Kommentare

Loading