Tiefe Gefühle und humoristischer ländlicher Reigen stimmig an einem Tanzabend in Innsbruck

Xl_stabat-mater-et-les-noces-6720 © Birgit Gufler

Stabat Mater Les Noces Ballettabend Tiroler Landestheater 7.4.24

Tiefe Gefühle und humoristischer ländlicher Reigen treffen stimmig an einem Tanzabend in Innsbruck aufeinander

Viel Aufregung gab es 2022 bei der Neubesetzung der Intendanz am Tiroler Landestheater. Der gefeierte und beliebte jahrelange Leiter des Ballettcompagnie Enrique Gaza Valga wurde vom neuen Management unter Irene Girkinger nicht verlängert und gründete daraufhin seine eigene Tanzcompagnie weitgehend aus dessen Ensemble. Somit werden die Neuinszenierungen von Ballettabenden am Tiroler Landestheater besonders kritisch verfolgt und beurteilt.

Mit dem Rumänen Edward Clug wurde ein international bekannter Choreograf für die Gestaltung eines zweiteiligen Ballettabends gewonnen. Der derzeitige Leiter des slowenischen Staatsballetts wählte hierfür eine Wiederaufnahme seiner Kreationen Stabat Mater für das Gärtnerplatztheater in München nach der Musik von Giovanni Battista Pergolesi und Les Noces nach der Musik von Igor Stawinsky, ein Kurzstück für das königliche Ballett Flandern entstanden.

Mit nur 26 Jahren verstarb Pergolesi und seine Vertonung des mittelalterlichen Gedichtes über das Leiden Marias unter dem gekreuzigten Sohn zählt zu seinen bedeutendsten Kompositionen. Für Sopran, Alt und Orchester vermittelt es in 10 Teilen berührend die emotionale Dichte der Mutter Sohn Beziehung. Clug gibt dieser ergreifenden Musik des Schmerzes eine bildstarke Übertragung in der Bewegung von acht Tanzpaaren, aus denen immer wieder ein Paar in die Rolle von Maria und Jesus schlüpfen. Der Betrachter wird u.a. Zeuge des herzzerbrechenden Bedürfnisses Jesus wieder in den Mutterleib zurückkehren zu wollen oder Maria drängt sich in das Grab Jesu und schlüpft zu ihm in sein schwarzes Jacket und verbindet sich so im Leid mit ihm. In diesen Pas de Deux verinnerlicht der Choreograf weiche Bewegungsabläufe, die sich langsam zu einem leidenschaftlichem Zusammenwachsen der Tänzer entwickeln,die sich in harmonisch verschmelzenden Figuren wiederfinden. Dabei versteht es der Choreograf die Bewegungen exakt auf die barocken Rhythmen abzustimmen.

Die Bühne gestaltet Jordi Roig mit wenigen Mitteln. Das Orchester und die Solisten sind auf der Hinterbühne plaziert, davor treten die Tänzer hautnah zum Publikum auf. Lediglich zwei weiße längliche Elemente werden ab und an auf die Bühne geschoben, dienen als Sitzbank, Catwalk oder aufgestellt symbolisch für das Kreuz Jesu. Die Tänzerinnen sind einheitlich in einem sandfarbenen knielangem Kleid und mitunter auch mit schwarzen Stöckelschuhen gekleidet, die Tänzer im schwarzen Anzug.

In Les Noces erzählt Igor Strawinsky von den Vorgängen rund um eine Hochzeit auf dem Lande. Als Basis verwendet er russischen Hochzeitsgedichte, die er selbst zu einem Libretto fasste. Ürsprünglich wurde die Tanzkantate für vier Solostimmen, Chor und vier Klaviere komponiert, zumeist kommt aber die Orchesterversion zur Aufführung, so auch in Innsbruck. 1923 erlebte das Werk seine Uraufführung mit dem Ballett Russes in der Chroeografie von Bronis-Iava Nijinska in Paris. Edward Clug hält sich in seiner Interpretation ebenso an den Handlungsablauf des Komponisten. Mit dem Bühnenbildner Marko Japelj verbindet ihn eine lange Zusammenarbeit. Er liefert mit zwei beweglichen zwei Meter hohen Holzmodulen, die begehbar sind, eine leicht veränderbare Kulisse, die intensiv bespielt wird. Am Ende öffnen sich kleine Fenster und zwölf Köpfe beobachten das Hochzeitspaar, das nach ein paar Turbulenzen zusammenkommt. Der Bewegungsablauf ist spritzig witzig, harmonisch aneinandergereiht. Mit wenigen Mitteln werden Rollen im Ensemble verteilt, die das erwartungsvolle Brautpaar stören wollen und in Gruppenszenen verwickeln.

Die Musik ist monoton geradezu stampfend vorwärtsdrängend. Dem bestens vorbereiteten Chor des Tiroler Landestheater kommt akustisch eine bedeutende Rolle zu. Wiederum sind die Musiker, Chor und Solisten auf der Hinterbühne aufgereiht. Matthew Toogood steht am Pult des Tiroler Symphonieorchester Innsbruck und führt routiniert, Tempo und auch Ausdruck passen gut abgestimmt auf die Darbietung des Ensembles des Tiroler Landestheater. Anastasia Lerman, Sopran, und Bernarda Klinar, Alt sind die Solisten im Stabat Mater, für Les Noces kommen Alexander Fedorov, Tenor und Johannes Maria Wimmer, Bass dazu. Eine insgesamt sehr stimmige musikalische Interpretation umrahmt die szenisch ausgefeilte sehr ästethische und harmonsiche Choreografie.

Im nahezu ausverkauften Haus bedankt sich das Publikum mit Begeisterung und liefert lautstarken Zuspruch.

Dr. Helmut Pitsch

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