Eine lange Liste von Orchestern, meist regional aus den nordeuropäischen Ländern führt das Programmheft der Tiroler Festspiele an, welche die junge deutsche Dirigentin Anja Bihlmaier bereits eingeladen haben. Nun ist sie in Erl für den skandalgebeutelten Gustav Kuhn am Pult des Tiroler Festspielorchesters eingesprungen, um das Abschlusskonzert der Winterfestspiele mit einem anspruchsvollen Programm aus verschiedenen Epochen zu leiten.
Am Beginn steht das Werk des französischen Impressionisten Claude Debussy. Seine symphonische Dichtung „Nachmittag eines Fauns“ zählt zu seinen Meisterwerken und hat besonders als Ballettmusik begeistert. Nach seinen eigenen Worten soll seine Musik erotische Stimmungen im Zustand des Dämmerns evozieren. Debussy will nicht Mallarmés schönes Gedicht nacherzählen, sondern die verschiedenen Stimmungen, die Begierden und Träume des Fauns aufzeigen. Ermattet von der Jagd der furchtsamen Nymphen und scheuen Naiaden gibt er sich einem Höhepunkt der Lust hin. Er träumt über seine Herrschaft über die Natur. Sehr gemächlich beginnen die Flöten mit der elegischen Melodie des Hauptmotivs. Langsam spinnt sich der Faden der spährischen Musik. Es dominiert das kräftige Forte, schwunglos folgt das Orchester den ausladenden Gesten der Dirigentin, ohne das ein Funke überspringt. Es kommen keine Bilder keine impressionistische Farben auf. Der Faun wirkt auf Dauer ermattet in tiefem Schlaf ohne körperdurchflutete Begierde. Im zweiten Teil folgt das Klavierkonzert Nr. 20 in d moll KV 466 von Wolfgang Amadeus Mozart, gemeinsam mit der Pianistin Melodie Zhao. Unter den beiden Damen entwickelt sich ein Wettkampf um Lautstärke und Geschwindigkeit, den leider Mozart verliert. Wir landen bei dramatischer vollmundiger Romantik eines Rachmaninoffs. Die Pianistin zeigt wenig Interesse am grazilen Dialog mit den Solostimmen im Orchester und mit aktiver Pedalarbeit behauptet sie sich auch im klanglichen Volumen. Die Kadenzen werden zum Schauplatz akrobatischer Fingerübungen und effekthaschenden Gebärden auf dem Klaviersessel, welches das Publikum sichtbar und hörbar beeindruckt. Erst im dritten und letzten Teil gelingt es Anja Bihlmaier ihr Talent zu zeigen. Auch Mahlers 4.Symphonie sprüht von romantischer Stimmung und Klangfarben. Bedachtsam übergibt sie die Klangführung den Streichern, die Instrumentalsolisten, besonders die anmutig und perfekt blasenden Flötisten, legt sie ausgewogen darüber. Spannungsvoll baut sie die für Mahler typischen Steigerungen und symphonischen Höhepunkte auf. Es fließt natürlich voran und erfüllt unaufdringlich vollmundig den Saal. Scherzo und Adagio grenzen sich rhythmisch und melodisch harmonisch ab. Aufmerksam und wach folgen ihr jetzt die jungen Musiker und legen sich mächtig ins Zeug. Nach einem orchestralen Vorspiel verwendet Gustav Mahler im vierten Satz Fragmente seiner Lieder aus des Knaben Wunderhorn nach Clemens Brentano. Die Sopanistin Marie Radoeva übernimmt den Solopart mit Gefühl und stimmlichen Ausdruck, die Wortverständlichkeit steht dahinter. Geheimnisvoll malt das Orchester die Worte der Auferstehung, zart und luftig wird am Pianissimo gefeilt. Am Ende langer begeisterter Beifall für diese reife und eindrucksvolle Leistung der jungen Musiker und Dirigentin.
Dr. Helmut Pitsch
07. Januar 2019 | Drucken
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