„Too hot to Händel“ Alcina am Gärtnerplatz

Xl_alcina2025 © Marie-Laure Briane

Georg Friedrich Händel Alcina Gärtnerplatztheater München 6.2.2025

 

„Too hot to Händel“ * Alcina am Gärtnerplatz

*Programmheft Theater am Gärtnerplatz

„Alcina ist eine spannende, tolle, starke Frau“ so sieht Magdalena Fuchsberger, die Regisseurin der Neuinszenierung von Georg Friedrich Händels gleichnamigen Spätwerk am Münchner Gärtnerplatztheater. Um das zu zeigen hat sich die junge Salzburgerin viel einfallen lassen und nicht immer ist die Handlung leicht zu verfolgen. Alcina verzaubert in der griechischen Mythologie auf ihrer Insel alle Lebewesen, insbesondere auch die Gestrandeten, und macht sie sich zu Untertanen und vielfach auch zu Liebhabern. Steffan Mannteufel liefert hier eine wenig beeindruckende Zauberinsel mit steriler Bushaltestelle für die Ankömmlinge, transparenten Häuschen als Wohnstätten für Tier und Mensch. Das Leben auf der Insel gestalten zumeist lebendig die Tänzer und Tänzerinnen in der Choreografie von Karl Alfred Schreiner. Die Bewegungen bilden Tiere nach, mitunter wird auch gebrüllt.

Farblich aufgelockert wird das düstere dunkle Bühnenbild durch phantasievolle Kostüme von Pascal Seibicke- nicht immer im Zusammenhang zur Handlung aber effektvoll so die farbenprächtigen Kostüme wie aus Karneval in Rio. Die Üppigkeit an Geschehen auf der Bühne rund um die Protagonisten entspricht aber barockem Usus, um die Handlung um die großformatigen Arien - die meist Stillstand bedeuten - lebendig und auch unterhaltsam zu gestalten. Zur Unterstützung werden auch die Sänger immer wieder in die Choreografie einbezogen und leisten Zusätzliches. Herrscht zu Beginn viel amouröses Treiben, nimmt die Handlung langsam Fahrt auf. Rasch entwickelt sich hingegen der Untergang der Zauberwelt in diesem Drama per musica. Ohne Übergang erlebt der Betrachter nach der Pause eine neue Realität, die ursprünglichen in Konflikt stehenden Paare haben sich wiedergefunden und schlüpfen in die Realität des Ist. Ein Bungalow kommt von oben mit Terrasse für - modisch modern gekleidet - Rugero und Bradamante, Oronte und Morgana schieben in trauter Zweisamkeit den Kinderwagen. Alcina kauert gestrandet wie eine Pennerin im Bushäuschen. Erst später folgt das Libretto der Verwandlung. Oberto erscheint als Transvestit, so wird auch noch das Genderthema aufgetischt. Am Ende sind alle um einen Gartengrill vereint.

Auch wenn die per se verwirrende Geschichte nicht immer leicht zu verfolgen ist, für das Auge wird vieles aufgefahren und für Unterhaltung ist gesorgt ohne aber in den Klamauk zu verfallen oder zu überziehen.

Dafür bleibt Ruben Dubrovsky, Generalmusikdirektor des Gärtnerplatztheater eng und konzentriert an der Musik. Er zeigt sich als wahrer Kenner und Vertrauter im Umgang mit barocker Instrumentierung. Unaufdringlich präsent begleitet das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz auf hohem Niveau die Sänger, gefühlvoll werden die Arien mit Instrumentensoli unterlegt und im Ausdruck angereichert. Mit Barockgitarre, Thorbe und Cembalo ist die Klangfarbe erweitert.

Händel hat in diesem Werk auf lange Rezitative verzichtet und so folgt eine Arie der anderen, ein Feuerwerk der Gesangskunst auslösend.Das Sängerensemble umfasst zumeist Ensemblemitglieder, die auch in einer Barockoper, die selten im Spielplan auftauchen souverän überzeugen. Jennifer O‘Loughlin ist ein Publikumsliebling, der in zahlreichen Rollen mit ihrer kräftigen wandlungsfähigen Sopranstimme auf der Bühne stand. Als Alcina findet sie ihren Zugang zu der liebestollen aber immer Suchenden. Die Machtposition spielt sie nicht aus. Ihre Stimme wärmt den barocken Klang sicher in allen Lagen geführt.

Sophie Rennert als Ruggero meistert die herausfordernde Partie souverän. Ihr Mezzo hat Volumen und technisch sauber führt sie die Koloraturen. Gut ausbalanciert setzt sie dramatische Stilmittel ein. Monika Jägerova ist eine streitbare Bradamante, gesanglich vielfältiger als im Spiel.

Andreja Zidaric gibt sich als kesse Mogana schwung- und lustvoll mit hellem frischen Sopran. Als ihr Ehemann Oronte passt sehr gut Gyula Rab mit seinem lyrischen Tenor. Wuchtig setzt Timos Sirlantzis seinen Bass als Melisso ein, in der Wirkung verstärkt durch sein schräges Travestiekostüm zu Beginn. Als Oberto erfreut Mina Yu mit ihrer gut ausgebildeten und technisch perfekten Stimme, kann aber nicht Emotionen wecken.

Viel Jubel nach drei Stunden feinstem barocken Genuss.

Dr. Helmut Pitsch

 

 

 

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