Tristan in München zwischen Traum oder Wirklichkeit mit großem Finale

Xl_64fba18e-4efe-4954-86ee-79a7990eece6 © Wilfried Hösl

Richard Wagner Tristan und Isolde Münchner Opernfestspiele 24.7.2023

Tristan in München zwischen Traum oder Wirklichkeit mit großem Finale

Elegant, großzügig braun holzgetäfelt ist der Bühnenraum von Malgorzata Szczesniak über den ganzen Abend. Es gibt kein Schiff, dafür ein moderner nüchterner Schreibtisch und eine mit Teppich überzogene Chaisse longue. Ein paar Hinweise gibt es noch im Programmheft, um den Zugang zum komplexen Regiekonzept des Polen Krzysztof Warlikowski zu finden. Zum Vorspiel erlebt der Besucher zwei Teenager oder modern gesagt zwei Avatare. Ein Päärchen, das in Gefühlen zwischen Liebe und Verzweiflung, Freud und Leid gefangen sind. Ist dies die Traumebene und das Bindeglied zur Tiefen- und Traumpsychologie von Siegfried Freud, an dessen Praxis die Requisiten erinnern. Kehrt der Regisseur das Innere, die Ängste und Gefühle der Titelhelden nach außen? Immer wieder treten die Avatare in Erscheinung, in Tristans Phantasien im dritten Akt erleben wir eine ganze Runde am elterlichen Tisch in der väterlichen Burg. Es sind viele kleine Tristans, Ebenbilder in verschiedenem Alter. Hat der Waise, der seinem Onkel überlassen wurde, Vater und Mutter bei der Geburt verlor, seine schmerzvollen Verluste verarbeitet?

Das Psychogramm des Polen ist herausfordernd und schafft mehrere Ebenen, und auch Räume, wenn von oben eine Trennwand heruntergefahren wird und wir Tristan und Isolde allein in ihrer Intimität erleben. Dazu immer wieder Videos. So wird der Liebestrank zum Rauschgifttrip mit halluzinativen Bildern und Farben. Die Liebe findet eigentlich nicht statt, wie ein großflächiges s/w Video zum Stell Dich ein im zweiten Akt klar zeigt. Gelangweilt liegt ein Paar angezogen unbewegt mit Abstand in einem großen Hotelbett.

So auch die Personenregie, die wenig Interaktion kennt. So kommt keine Spannung oder knisternde Erotik auf, es entstehen da eher Deutungsfragen, die durchaus zu diesem Werk berechtigt sind. Lothar Koenings hat das Dirigat von Juraj Valcuha übernommen. Er drückt von Beginn an auf Tempo und setzt auf Dramatik, die er in Lautstärke umsetzt. Langsam wächst er mit den Sängern zusammen und im Dirigat geschmeidiger. Der dritte Akt gelingt überzeugend mit den bestens aufspielenden Musikern des Bayerischen Staatsorchesters.

Die Sängerbesetzung ist prominent. Anja Kampe ist nach Ortrud in Lohengrin nun als Isolde bei den Festspielen zu erleben. Ihr Sopran zeigt Kraft, weiss auch in der Mittellage zu überzeugen, die Spitzentöne geraten insbesondere in der ersten Szene mit Brangäne schrill übersteuert. Aber sie weiß, das auszusteuern und bereits im Liebesduett wird es gefühlvoll weicher. Der Liebestod wird mit großen Ausdruck und fein ausbalanciert sehr überzeugend gestaltet und gesungen. Mit Stuart Skelton steht wohl einer der derzeit besten Interpreten auf der Bühne. Die dürftige Personenregie kommt dem korpulenten Australier zugute und mit seinem kraftvollen strahlendem Tenor beeindruckt er. Bis zum letzten Ton ist er präsent und bringt seine Phantasien sehr lebendig. Der Auftritt Rene Papes als herrschaftlicher sehr menschlicher König Marke ist ein Höhepunkt des Abends. Mit Leichtigkeit füllt und führt er seine Töne. Sein Bass ist mit einem dunklen vollmundigem Timbre unterlegt und kann sein Volumen beträchtlich steigern. Wolfgang Koch zeigt sich als solider Kurwenal, wirkt aber ermüdet. Jamie Barton ist eine kämpferische selbstbewusste Brangäne. Ihre Stimme hat Kraft, bleibt aber farblos, vermutlich auch durch die mangelnde Textverständlichkeit und der geringen Modulation der Vokale. Sean Michael Plumb ist ein starrer Melot.

Großer Beifall für alle Künstler

Dr. Helmut Pitsch

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